im uneigentlichen Sinne Menschen genannt werden könnten, und deshalb auch ihre Gräber nicht verunreinigten. Die Leichen der Heiden seien den Überresten von Tieren gleichzuachten, durch die man nicht verunreinigt werde. Diese Verlegenheitserklärung, nach welcher die Juden Menschen erster Klasse (adam), die Heiden aber Menschen zweiter Klasse oder Tiere (haadam) sein sollten, wurde jedoch von anderen Lehrern verworfen, und konnte schon um deswillen nicht zur Geltung kommen, weil das Wort haadam nicht bloß einen Heiden bezeichnet, sondern auch den Juden, der noch kein Weib und keinen Grundbesitz hat.
Außerdem besteht auch heute noch für die Juden die religionsgesetzliche Vorschrift, daß, wenn in einem Hause ein Jude oder ein Nichtjude gestorben ist, und der Leichnam sich noch im Hause befindet, die „Kohanim“, jene Juden, die sich für Nachkommen Aarons, also Mitglieder des Priesterstammes ausgeben, in diesem Hause nicht bleiben dürfen, bis der Leichnam daraus entfernt ist. Daraus geht so viel mit Gewißheit hervor, daß der Leichnam eines Nichtjuden ebenso wie der Leichnam eines Juden als ein menschlicher Leichnam, dessen Anwesenheit verunreinigt, betrachtet wird.
Wenn übrigens der Prophet Ezechiel die Heiden Tiere genannt hat, so hat er damit gar nichts Auffallendes gethan. Wiederholt kommen solche Bezeichnungen vor, und Menschen werden nicht bloß Hunde und Esel, sondern auch Pferde, Maulesel, Schweine in der Heiligen Schrift genannt. Auch in der Heiligen Schrift des Neuen Bundes werden Menschen mit Tiernamen belegt, und dasselbe thun auch die Kirchenväter, ja der göttliche Heiland selbst hat die Heiden Hunde (Mark. 7, 27), und den König Herodes einen Fuchs genannt (Luk. 13, 32), aber wer mag glauben, er habe damit die Erlaubnis gegeben, daß man einen Heiden wie einen bissigen Hund, den König Herodes wie einen räuberischen Fuchs totschlagen dürfe? So wenig wir glauben, daß Christus und die Kirchenväter durch Bezeichnung der Menschen mit Tiernamen den Mord derselben billigen wollten, ebensowenig dürfen wir auch von den jüdischen Lehrern glauben, daß sie damit den Mord als erlaubt hinstellen wollten.
Die übrigen Talmudstellen, die mein H. Recensent aus der Augsburger Postzeitung Nr. 10 v. 9. März 1893 anführt, sind von
Friedrich Frank: Nachträge zu „Der Ritualmord vor den Gerichtshöfen der Wahrheit und Gerechtigkeit“. Verlagsanstalt vorm. G. J. Manz Buch- und Kunstdruckerei A.-G. München-Regensburg, Regensburg 1902, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Ritualmord_vor_den_Gerichtsh%C3%B6fen_(1902).djvu/19&oldid=- (Version vom 31.7.2018)