wenn nicht die antisemitischen Zeitungen in unverantwortlicher Weise diesen absurden Aberglauben hegten und förderten.“ Von den Spaniolen, den im Orient stark verbreiteten Juden spanischer Abkunft, sagt Memminger, daß sie geistig etwas höher stehen als die Masse der russischen und polnischen Schnorrer, doch glaube man in Bulgarien von ihnen, daß sie jährlich zur österlichen Zeit einen Menschen opferten. Memminger scheint diesen Glauben nicht zu teilen, denn er spricht nur bedingungsweise: „Wenn sich bei vielen derselben der Christenhaß derart verdichtet hat, . . . so leite ich dies von der Zeit her, da sie als herrschendes Volk aus Spanien ausgetrieben wurden.“ – Immerhin wäre aber ein solcher Mord aus Christenhaß kein Ritualmord, der verübt wird, um Blut zu religiösen oder abergläubischen Zwecken zu gewinnen, wie denn auch eine Anklage wegen Ritualmords gegen die spanischen Juden niemals erhoben worden ist.
Am Schlusse seines Gutachtens weist Memminger darauf hin, daß auch Christen noch in der Gegenwart, Katholiken und Protestanten, Menschenopfer dargebracht haben, wie im Jahre 1819 zu Würzburg, in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zu Wildispuch, in den siebziger Jahren zu Marthalen, und meint, er verstehe es nicht, warum gerade die Juden vor dem Unsinn des Blutopfers oder Ritualmords gänzlich gefeit sein sollten. – Damit hat er ganz recht, denn das würden auch andere nicht verstehen. Aber meines Wissens haben die Juden auch noch niemals geleugnet, auch nicht im Falle Bernstein, daß solche Auswüchse einer falschen Frömmigkeit oder religiösen Verrücktheit bei ihnen vorkommen können. Und wenn er daher den Vorwurf gegen die Juden erhebt und sagt, „die gebildeten Juden thäten wohl besser, dies zuzugestehen, als durch beharrliches Ableugnen, das doch die Völker nicht überzeuge, sich selbst verdächtig zu machen,“ so rennt er mit diesem Vorwurf offene Thüren ein, und stellt sich selbst damit zugleich das Zeugnis aus, daß er gar nicht weiß, um was es sich eigentlich handelt, wenn die Anklage wegen Ritualmords gegen die Juden erhoben wird.
Die beiden Gutachten der Herren Techniker sind darum auch nichts anderes als Leichenreden, die dem Glauben an den jüdischen Ritualmord gehalten wurden.
In dem nun folgenden Leidtragenden begrüße ich einen Landsmann
Friedrich Frank: Nachträge zu „Der Ritualmord vor den Gerichtshöfen der Wahrheit und Gerechtigkeit“. Verlagsanstalt vorm. G. J. Manz Buch- und Kunstdruckerei A.-G. München-Regensburg, Regensburg 1902, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Ritualmord_vor_den_Gerichtsh%C3%B6fen_(1902).djvu/64&oldid=- (Version vom 31.7.2018)