verboten haben. Etwas eigentlich Neues hat dieser „hervorragende Mann der Wissenschaft und des praktischen Lebens“ und „Reiseprediger des christlichen Aberglaubens“ in seinem „Gutachten“ nicht gebracht. Dagegen hat er den geistigen Standpunkt, auf dem er steht, damit gezeichnet, daß er eine bei Gelegenheit des „Konitzer Falles“ verbreitete Äußerung, „in diesem Jahre sei das Blut teuer, es koste über eine Million,“ für bare Münze genommen hat, ohne zu fragen, ob damit nur ein einziger mit Christenblut gefüllter Federkiel, oder vielleicht ein Schock solcher Federkiele gemeint gewesen sei, und daß er die Befürchtung ausgesprochen hat, „es wäre wohl sicher noch ein weiteres Opfer (des Ritualmordes) zu beklagen gewesen, wenn die Christen in Smyrna vor dem Passa l. J. nicht so zähe mit den Glocken um Hilfe gerufen hätten.“ Als ein „hervorragender Mann der Wissenschaft und des praktischen Lebens“ sollte er doch wenigstens so viel wissen, daß man in einem „Gutachten“ für seine Behauptungen statt vollgültiger Beweise nicht leere Gerüchte und gehässige Anklagen vorbringen dürfe. Hätte er nur etwa vierzehn Tage gewartet, dann hätte er in den Blättern lesen können, daß vor dem Passa dieses Jahres in Smyrna ein Ritualmord überhaupt nicht vorgekommen ist, daß vielmehr sieben von den Judenfeinden, welche so zähe mit den Glocken um Hilfe gerufen haben, zu je sechs Monaten Gefängnis verurteilt wurden, während der vierzehnjährige Anestikosiu, das angebliche Opfer des Ritualmords, als Zeuge bei der bezüglichen Gerichtsverhandlung selbst zugegen war. Krösells „Gutachten“ ist etwas länger als die übrigen, aber es ist trotzdem doch auch nicht mehr als eine Leichenrede auf den mittelalterlichen Blutmord-Aberglauben.
Nicht besonders gern, wie es scheint, schließt sich dem Leichenzuge in der Staatsbürger-Zeitung (Nr. 378) auch der Leipziger H. Professor Dr. Steffen an, der in seinem Gutachten meint, die Möglichkeit, daß ein solcher Aberglaube unter den Juden vorhanden sei, müsse von jedem zugegeben werden, da auch unter den Christen Aberglaube der schlimmsten Art sich finde. Der H. Professor darf aber nicht vergessen, daß der Grad der Möglichkeiten bei den Juden geringer ist als bei den Christen, weil den Juden jeglicher Blutgenuß auf das strengste untersagt ist.
„Von der Wahrheit der Beschuldigung,“ sagt der H. Professor,
Friedrich Frank: Nachträge zu „Der Ritualmord vor den Gerichtshöfen der Wahrheit und Gerechtigkeit“. Verlagsanstalt vorm. G. J. Manz Buch- und Kunstdruckerei A.-G. München-Regensburg, Regensburg 1902, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Ritualmord_vor_den_Gerichtsh%C3%B6fen_(1902).djvu/73&oldid=- (Version vom 31.7.2018)