Tacitus. Daß die Hebräer auf Mittel sannen, von ihren Krankheiten geheilt zu werden und sich vom gänzlichen Untergange zu retten, ist nur zu natürlich, und in ihrer höchsten Not erschien ihnen auch ein Retter, nämlich Moses, der „ein gescheiter Arzt war, und „ganz nach Hahnemann“ ihnen Blut-, Diät- und Reinigungsvorschriften gab. Er gab ihnen lebenskräftiges, frisches Menschenblut in großer Verdünnung und heilte sie dadurch innerlich oder, wie der biblische Ausdruck lautet, „er reinigte ihre unreine Seele“. Daß das Opfer- oder Heilblut Menschenblut ist, geht aus der Bibel direkt und indirekt unwiderleglich hervor. Die direkten Zeugnisse der Bibel sind die allerdings nur beabsichtigte Opferung Isaaks, die ebenfalls nur beabsichtigte oder angedrohte Tötung Mosis und seines Sohnes, die wirklich ausgeführte Opferung der Jephtha, unter welcher wohl die Tochter des Richters Jephtha zu verstehen sein wird, „bei deren Opferung es sich lediglich um ihr Blut, um Menschenblut handelte.“ – Davon steht jedoch in der Heiligen Schrift kein Wort. Bei dem Patriarchen Abraham handelte es sich um eine Prüfung seines Gehorsams, bei Moses um eine Rüge seines Ungehorsams, weil er die Beschneidung seines Sohnes unterlassen hatte, und bei Jephtha um ein Dankopfer, das er für einen erlangten Sieg Gott versprochen hatte, wie wir im Buche über den Ritualmord nachgewiesen haben. Ebensowenig Glück wie mit seinen direkten Schriftbeweisen für den Blutgenuß der Juden hat H. Bewer mit seinem indirekten Beweise, welcher lautet: „Wiederholt und strengstens verbietet Moses den Genuß des Blutes von Tier und Vögeln, folglich konnte die Versöhnung der Seele, die Reinigung des unreinen Blutes nur noch durch menschliches Opferblut bewirkt werden.“ – Das ist wirklich eine ganz neue, eigene Art von Beweisen; so kann ich auch den Beweis liefern, daß es bei den Athenern, wie bei einzelnen Völkern des Altertums, Gebrauch war, sich der alten Eltern zu entledigen, indem man sie den Göttern opferte und tötete. Der Gesetzgeber Solon stellte nämlich für die verschiedenen Arten der Tötung von Menschen verschiedene Strafen fest, nur für den Elternmord stellte er keine Strafe auf. Also, könnte man sagen, war es erlaubt oder Brauch, die Eltern den Göttern zu opfern und sie zu töten. Bekanntlich hat aber Solon auf Befragen erklärt, daß er für die Ermordung der Eltern deswegen keine Strafe festgesetzt habe, weil er
Friedrich Frank: Nachträge zu „Der Ritualmord vor den Gerichtshöfen der Wahrheit und Gerechtigkeit“. Verlagsanstalt vorm. G. J. Manz Buch- und Kunstdruckerei A.-G. München-Regensburg, Regensburg 1902, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Ritualmord_vor_den_Gerichtsh%C3%B6fen_(1902).djvu/84&oldid=- (Version vom 31.7.2018)