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Walther Kabel: Der Spion von Kimberley (Die Südmark. Nr. 17–20.)

(1. Fortsetzung)

Den beiden folgte aber in einiger Entfernung derselbe Mann, der für Harry Landors Person schon vorher ein so großes Interesse an den Tag gelegt hatte. – Eine Stunde später stand dieser dann Lord Willerton gegenüber.

„Sie wollen sich uns, wie mir Hauptmann Weller mitteilt, als Spion zur Verfügung stellen?“ begann der Gouverneur ohne Umschweife und schaute Landor mit seinen klaren Augen an. „Teilen Sie mir zunächst mit, aus welchen Gründen Sie sich für diesen Posten besonders geeignet halten, und dann geben Sie mir auch näheren Aufschluß über Ihre Person. – Sie sind ein geborener Engländer nicht wahr?“

„Jawohl, Mylord!“ entgegnete Landor bescheiden. „Meine Eltern besitzen in London in der Oxford-Street ein Juweliergeschäft. Ich selbst habe eine gute Erziehung genossen, und nur besondere Umstände zwangen mich, vor 5 Jahren mein Elternhaus zu verlassen.“

„Besondere Umstände?“ fragte Lord Willerton etwas mißtrauisch.

In Landors Gesicht stieg jetzt langsam eine heiße Glut. Und verlegen zu Boden blickend, antwortete er leise: „Ich hatte in meiner Stellung als Kassierer einer Londoner Getreidefirma größere Kassenbeträge unterschlagen und entzog mich der drohenden Verhaftung durch die Flucht. Gegen mich ist noch heute ein Steckbrief in Kraft,“ fügte er offen hinzu. „Ich heiße auch nicht Landor, sondern Siders, Harry Siders. Die letzten Jahre habe ich zum größten Teil als Arbeiter auf Burenfarmen in Transvaal zugebracht, spreche daher auch das Burenholländisch vollständig geläufig.“

Wieder ruhte des Gouverneurs messerscharfer Blick eine ganze Weile auf dem Gesicht des vor ihm Stehenden. — Lord Willerton war Menschenkenner genug, um aus diesen krankhaft blassen Zügen den reuevollen Seelenschmerz des wohl nur aus Leichtsinn zum Verbrecher herabgesunkenen jungen Menschen herauszulesen. Und auch die Erscheinung Landors und seine ehrliche Art gefielen ihm. Nur der unsichere Ausdruck in den starren, etwas schielenden Augen, die niemals lange auf einem Punkt haften blieben, mahnten ihn zur Vorsicht.

„Auf welche Weise gedenken Sie, etwaige Ihnen anvertraute Depeschen durch die Burenlinien zu befördern?“

Die in wenigen Sätzen bestehende Antwort überraschte den Gouverneur aufs höchste und benahm ihm auch sofort alle Zweifel an der Glaubwürdigkeit des einstigen Kassierers.

„Ein vorzüglicher Gedanke, das muß ich sagen,“[1] meinte er ganz begeistert, als Landor kaum geendet hatte. „Jetzt verstehe ich auch erst die Andeutungen in dem Briefe Wellers! Da kommen Sie uns allerdings sehr gelegen! Ich kann Ihnen bereits heute versprechen, daß sie wahrscheinlich schon mit dem nächsten Truppentransporte nach der Front abgehen werden. Wo Sie jedoch Verwendung finden sollen, läßt sich jetzt natürlich noch nicht bestimmen. Jedenfalls halten Sie sich zu meiner Verfügung bereit und geben Sie draußen meinem Adjutanten Ihre Adresse an. Von der Verpflichtung, sich in der Infanteriekaserne einkleiden zu lassen, entbinde ich Sie selbstverständlich. Für einen gemeinen Soldaten sind Sie doch zu schade!“

Siders verbeugte sich dankend.

„Mylord,“ sagte er dann zögernd und wieder flutete ihm das Blut zu Kopfe, „bevor ich gehe, gestatten mir noch ein Wort zur Aufklärung. Ich möchte nicht, daß Sie mich und mein Tun falsch beurteilen. Nicht schnöde Gewinnsucht läßt mich diese Stellung einnehmen, der in den Augen der meisten Menschen etwas Verächtliches anhaftet. Ich habe schwer gefehlt in meinem Leben, würde, wenn man mich ergreift, auf längere Zeit ins Zuchthaus wandern.

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Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Spion von Kimberley (Die Südmark. Nr. 17–20.). Vereinsbuchdruckerei „Celeja“ in Cilli, Cilli 1914, Seite 1(Nr.18). Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Spion_von_Kimberley.pdf/5&oldid=- (Version vom 31.7.2018)