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7. Wilajet Bitlis.


Das Wilajet Bitlis zählte unter 398 000 Bewohnern 195 000 Christen, nämlich 180 000 Armenier und 15 000 Syrer. Von den übrigen 200 000 sind 40 000 Türken. Der Rest setzt sich zusammen aus 45 000 seßhaften Kurden, 48 000 Nomadenkurden, 47 000 Sasakurden, 10 000 Tscherkessen, 8 000 Kisilbasch und 5 000 Jesidis. Die Armenier verteilen sich über alle Gebiete des Wilajets, sind aber besonders stark vertreten in der Umgegend von Bitlis und in der Euphrat-Ebene von Musch mit 200 bis 300 Dörfern. Die Ebene von Musch wird im Süden durch die Tauruskette begrenzt. In den Hochtälern des Taurus, südlich dieser Kette, liegt das Gebiet von Sassun, das in den neunziger Jahren der Schauplatz der ersten armenischen Massakers unter Abdul Hamid war.

Die Vorgänge im Wilajet Bitlis hängen mit den Ereignissen im Wilajet Wan zusammen. Die endgültige Katastrophe vollzog sich erst, nachdem die Russen Wan wieder geräumt hatten. Aber bereits seit dem Februar, noch ehe die Armenier von Wan irgend daran dachten, daß sie sich gegen ein drohendes Massaker zu verteidigen hätten, sah es bunt genug im Wilajet Bitlis aus.

Seit dem Ausbruch des Krieges waren die Städte und die armenischen Dörfer von türkischen und kurdischen Banden angefüllt, die als Milizen in die Armee eingestellt waren. Die Gendarmen beschäftigten sich unter dem Vorwande von Requisitionen mit Räubereien und Plünderungen. Den Armeniern wurden alle für den Winter aufgesparten Vorräte an Lebensmitteln weggenommen, und man befürchtete für das Frühjahr eine Hungersnot. Außer den Armeniern, die zur Armee ausgehoben waren, wurden weiter Armenier jeden Alters in beliebiger Zahl zum Wegebau und zum Lasttragen requiriert. Die Lastträger hatten den Winter über durch die verschneiten Gebirge schwere Lasten bis zu 70 Pfund an die Kaukasusfront zu

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Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/147&oldid=- (Version vom 31.7.2018)