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3. Das Komplott der türkischen liberalen Opposition.


Über das türkische Komplott, das der Regierung in Konstantinopel durch den „Haupteingeweihten“ (den Polizeispitzel Mehemed Midhat, einen türkischen Offizier aus Akova) verraten wurde, liegen ausführliche Mitteilungen vor, die im „Tanin“ unter dem Titel „Eine Politische Komödie“ veröffentlicht und durch den „Osmanischen Lloyd“, die deutsche Zeitung von Konstantinopel, in zwölf Nummern übersetzt und wiedergegeben wurden. (Nr. 126 bis Nr. 137 vom 9. bis 22. Mai 1915.) Da dies Komplott der türkischen Opposition dazu benutzt wurde, um den Anschein zu erwecken, als ob die türkische Regierung einer sozusagen „alle in der Türkei wohnenden Armenier umfassenden Verschwörung“ auf die Spur gekommen sei, geben wir das Wesentliche des Berichtes wieder.

Das Komplott geht auf das Jahr 1912 zurück und war bereits aufgedeckt worden, ehe der europäische Krieg ausbrach. Bekanntlich ist die gegenwärtig herrschende jungtürkische Partei seit der Begründung der Verfassung zweimal gestürzt worden, einmal im Jahre 1909 durch die alttürkische Partei, als Abdul Hamid noch nominell regierte, und einmal im Jahre 1912 durch eine Opposition, die sich innerhalb des Komitees für Einheit und Fortschritt („Hürriet we Ittihad“, auch kurz „Ittihad“ genannt) gebildet und die Majorität erlangt hatte. Den Anstoß zu diesem zweiten Sturz gab die neugebildete Offiziersliga unter Führung des Oberst Zadik Bey. Die dissentierenden Mitglieder des Komitees vereinigten sich mit der Partei der liberalen Union „Hürriet we Ittilaf“, auch kurz „Ittilaf“ genannt) und arbeiteten am Sturz der Regierung. Das erste Opfer der Diktatur der Offiziersliga war der Kriegsminister Mahmud Schewket Pascha, der am 10. Juli sein Amt niederlegen mußte, das zweite Opfer das jungtürkische Kabinett, das am 16. Juli demissionierte, das dritte Opfer die türkische Kammer, die von dem neuen Ministerium Muktar Pascha am 5. August nach Haus geschickt wurde. Die Partei der liberalen Union,

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/200&oldid=- (Version vom 6.9.2019)