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ihr Leben verdankten, mochten Regungen eines gewissen Anstandsgefühls empfinden, das sie abhielt, ihre Lebensretter ans Messer zu liefern. Um derartige psychische Hemmungen zu überwinden, mußte man sich wenigstens einreden, daß möglicherweise die Führer des armenischen Volkes mit dem Gedanken einer nationalen Erhebung umgingen. Der Gedanke konnte ihnen auch dadurch nahegelegt werden, daß sie den Daschnakzagan gegenüber ein schlechtes Gewissen hatten. Schon vor der Begründung der Verfassung und bei jeder Krise seit der Begründung der Verfassung hatten sie den Führern der Daschnakzagan mündlich und schriftlich Versprechungen gemacht, ihre gerechten Wünsche in bezug auf die Neuordnung der Zustände im Innern zu erfüllen, und regelmäßig hatten sie diese Versprechungen, sobald sie wieder obenauf waren, gebrochen und dazu noch die Armenier um die ihnen zukommenden Kammersitze verkürzt. Daß die Daschnakzagan, wie es wirklich der Fall war, ihnen und ihrer politischen Überzeugung trotzdem treu geblieben waren, konnten sich vielleicht die Jungtürken nicht vorstellen und vermuteten, daß sie heimlich auf Vergeltung bedacht wären. Die krampfhaften Bemühungen, nachträglich Schuldbeweise zu finden, und, wenn auch unter der Folter, zu erzwingen, sind ein Ausfluß der moralischen Verlegenheit, in der sich die Regierung gegenüber den Daschnakzagan befand. Um auf die Daschnakzagan den Schein des Vaterlandsverrates zu werfen, bediente sie sich eines merkwürdigen Tricks. Daß jedermann Waffen besitzt, ja, daß die Jungtürken selbst noch in den letzten Jahren, als die Gefahr der Reaktion drohte, ihre politischen Freunde und deren Anhang mit Waffen versorgt hatten, war bekannt. Auch bezweifelte niemand, daß aus der Zeit Abdul Hamids noch Bomben vorhanden waren. Da die Bombe in diesem Kriege zu der Würde einer der ehrenhaftesten Waffen avanciert ist, gab es natürlich in den Regierungsarsenalen eine genügende Anzahl von Bomben, die man als bei Armeniern

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Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/267&oldid=- (Version vom 31.7.2018)