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Richard hatte gegen diesen Plan nichts einzuwenden, der erfahrene Karak mußte ja die Verhältnisse am besten kennen.

Sie aßen nun die reichlichen Reste der gestrigen Abendmahlzeit, dann ging Karak davon, um sich noch mehr Pfeile anzufertigen, deren Schäfte er aus Zweigen schnitt, während er die steinernen Pfeilspitzen einem am Halse hängenden Beutelchen entnahm und sie in einen Spalt des Schaftes klemmte, den er mit Lederriemchen festband. Richard sah ihm zu, staunend über die wunderbare Geschicklichkeit des Höhlenmenschen, der zur Herstellung solch eines Pfeiles keine fünf Minuten brauchte. Dann beobachtete er wieder seine Umgebung.

Die Arbeiter verließen die Felder und zogen sich hinter die Palisaden zurück. Dann wurde das Vieh hineingetrieben, und mit Lanzen und Bogen bewaffnete Farken, die mit Jagdbeute beladen waren und von großen, genau wie Wölfe aussehenden Hunden begleitet wurden, kamen aus dem Walde und verschwanden ebenfalls hinter den Palisaden. Bei Anbruch der Dunkelheit aber wurde ein Thor geschlossen, und als die Nacht kam und die schmale Sichel des Mondes am Himmel erschien, deren Verschwinden Makas Tod auf dem Opferaltar der Götter bedeuten sollte, lag die Landschaft in friedlicher Stille da, bis die Tierstimmen des nächtlichen Waldes laut wurden, angstvoll und drohend, grunzend und knurrend, pfeifend, heulend, wiehernd, brüllend und donnernd.

Im Dorfe selbst mußte noch Leben sein, überall flackerten Lichtchen auf oder erglänzte es wie erleuchtete Fenster.

Richard bemerkte, wie der neben ihm liegende Karak leise nach dem Bogen griff und einen Pfeil darauf legte, und als er der Richtung des schußfertigen Geschosses folgte, gewahrte er unter sich ein großes vierfüßiges Tier, in dem er, als es noch einige Schritte machte und in den Mondschein trat, eine schlanke Gazelle von der Größe eines englischen Rennpferdes erkannte, die auf der Stirn nur ein einziges, langes gewundenes Horn trug. Es war das sagenhafte Einhorn. Den dünnen Hals weit vorgestreckt, äugte es begehrlich nach dem saftigen

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Robert Kraft: Der letzte Höhlenmensch. H. G. Münchmeyer, Dresden (1901), Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_letzte_H%C3%B6hlenmensch.pdf/25&oldid=- (Version vom 31.7.2018)