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„Eine freimüthige Besprechung der Staatsverwaltung und Anordnungen im Staate ist ausdrücklich durch das Gesetz in Preussen gestattet. Schon das Censuredikt vom 18. October 1819 befiehlt, keine ernsthafte und bescheidene Untersuchung der Wahrheit zu hindern, und die in Folge der Cabinetsordre vom 10. Dezember 1841 erlassene Ministerialverfügung vom 24. Dezember 1841 weist die Censoren an, keine öffentliche Prüfung der Staatsverwaltung um deswillen, weil sie in einem anderen Sinne als dem der Regierung geschrieben, zu verwerfen.“

Wie die Glaubensfreiheit, so ist auch die Freiheit zu denken und seine Gedanken durch Wort und Schrift zu äussern, in unserm Vaterlande stets geachtet und geschützt worden. Nur unter besondern Umständen und Zeitverhältnissen sind Beschränkungen dieser Freiheit im Interesse des allgemeinen Besten für nothwendig erachtet, dann aber auch jederzeit die Grenzen derselben durch bestimmte Gesetze umschrieben worden: Und dennoch haben selbst dann erfahrene, ihrem Könige treu ergebene und auf das Wohl des Volks eifrig bedachte Männer dergleichen Massregeln als nachtheilig bezeichnet, weil (wie sie nicht ohne Grund bemerklich machten) das Urtheil über die Beobachtung derselben stets der Willkür Einzelner anheim gestellt bleibt, so dass, indem man die Unwahrheit zu verhindern strebt, leicht auch die Wahrheit unterdrückt und die Aufklärung über die wichtigsten Angelegenheiten gehemmt wird. – Mit Recht sagt Inkulpat in seiner Vertheidigungsschrift:

Die Wahrheit, – so lehrt die Geschichte, – ist niemals den Staaten nachtheilig gewesen, wohl aber das Verhüllen der Wahrheit; nicht der freimüthige Schriftsteller, nur die Verfolgung desselben hat von jeher den Regierungen Gefahr gebracht.

„Da es der Zweck jedes öffentlichen Tadels ist, die Abstellung vermeintlicher Misbräuche zu bewirken, so kann dem Schriftsteller auch nicht verwehrt werden, seinen Tadel diesem Zwecke gemäss einzurichten. Nur der freche, unehrerbietige, spottende Tadel ist nach §. 151 des Strafrechts verboten.“

Das Erkenntniss erster Instanz hat keine Definition des Wortes: frech gegeben, weil

»eine abstrakte Feststellung dieses Begriffs unmöglich sei, und weil im vorliegenden Falle die Frechheit, mit welcher Inkulpat die bestehende Verfassung angegriffen hat, klar zu Tage liege.«

Allein aus dem weitern Verfolge geht deutlich hervor, dass der

Empfohlene Zitierweise:
Johann Jacoby: Urtheil des Ober-Apellations-Senats. In: Deutsch-Französische Jahrbücher. Bureau der Jahrbücher, Paris 1844, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsch_Franz_Jahrb%C3%BCcher_(Ruge_Marx)_057.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)