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hat das erste Erkenntniss einen unzweifelhaften Beweis für die verbrecherische Tendenz des Inkulpaten finden wollen. Inkulpat beabsichtige offenbar, bei seinen Lesern Missvergnügen und Unzufriedenheit zu erregen, indem er gleichsam dasjenige Gefühl in Anspruch nimmt, welches in einem Mündiggewordenen durch zu grosse Beschränkung hervorgerufen zu werden pflegt. –

„Hierin.“ – so lautet die Entscheidung des zweiten Erkenntnisses – „kann man dem Richter erster Instanz keineswegs Recht geben. Inkulpat erwähnt mit wahrhaft patriotischem Stolze der hohen geistigen und sittlichen Bildung des preussischen Volks, und spricht dann sein Bedauern darüber aus, dass dieses in intellektueller und sittlicher Hinsicht so hervorragende Volk – an politischer Bildung weit hinter den andern Nationen zurückgeblieben ist. – »Welchen Antheil an der Regierung« – fragt er – »hat dies an Sitte und Intelligenz so hochstehende Volk?« und antwortet hierauf sich selbst: »Erröthend müssen wir gestehen: kaum den allergeringsten.« Wenn Inkulpat sich darüber schämt, dass wir hinter allen andern Nationen an politischer Bildung zurückgeblieben sind (denn nur für sich antwortet er); so kann ihm dies Niemand verwehren.“




In Bezug auf die S. 9 und 10 der incriminirten Schrift enthaltenen Aeusserungen über Censur sagt das Erkenntniss erster Instanz:

In solcher Weise darf ein Unterthan über die Gesetze und Anordnungen im Staate sich nicht auslassen, etc.

„Inkulpat hat als Belege seiner Behauptungen mehrere Censur-Exemplare der Königsberger Zeitung, ein Ministerial-Rescript, durch welches die Besprechung der hannöver’schen Angelegenheit verboten wird, Bescheide der höheren Censur-Behörden, einen vertrautamtlichen Briefwechsel zwischen dem preussischen Ober-Regierungsrath Seiffert und dem Redakteur der Leipziger Allgemeinen Zeitung etc., beigebracht. Die Richtigkeit dieser Belege ist nicht angefochten worden; es sind dieselben aber überflüssig, da der Form nach ein frecher Tadel hier gar nicht vorliegt. Eine Pflichtverletzung wird den Censoren nirgends zur Last gelegt; auch nicht einmal über die Censurgesetze wird ein Tadel ausgesprochen, sonder nur über die Handhabung derselben. Dass diese aber zu strengegewesen, steht ausser Zweifel, und ist auch seitdem durch die Censurinstruktion vom 24. December 1841 officiell anerkannt worden.“ –

„Der Richter erster Instanz hat besonders darin eine strafbare

Empfohlene Zitierweise:
Johann Jacoby: Urtheil des Ober-Apellations-Senats. In: Deutsch-Französische Jahrbücher. Bureau der Jahrbücher, Paris 1844, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsch_Franz_Jahrb%C3%BCcher_(Ruge_Marx)_060.jpg&oldid=- (Version vom 16.12.2022)