könnte die Idee zu dieser Gestalt leicht für ein schönes Eigenthum des Künstlers, für einen gelungenen Versuch halten, eine Grazie in moderner Tracht erscheinen zu lassen. Noch mehr würde Herr Tischbein diese Täuschung befördert haben, wenn er das Gesicht des Originals treuer auf die Leinwand getragen hätte. Man findet Aehnlichkeit, aber bei weitem nicht ganz jene edle Anmuth; jene herablaßende Güte, welche aus den Zügen des Urbildes hervortritt. Auch das Kolorit des Gesichts wollte uns nicht recht gefallen. Ueberhaupt möchte die ganze Figur wohl ein wenig zu lang seyn, auch kann man den allzukleinen Füßen, selbst bei den leisen, über den Boden nur schwebenden Tritten dieser Gestalt, deren Aufrechthaltung nicht zumuthen.
Uebrigens fließt das lange, weiße Kleid in schönen Falten um die schönen Glieder. Den einen Theil des darüber hängenden Lilla-Shawls hält die dargestellte Dame so in ihren beiden Händen, daß er den im Garten gepflückten, ziemlich hervorspringenden Blumen, statt eines Körbchens dient. Die Karnation ist, wenn wir das Roth auf dem Gesichte abrechnen,
Unbekannt: Die Kunstausstellung zu Dresden im Jahre 1800. Arnold und Pinther, Pirna 1800, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Kunstbl%C3%A4tter_Die_Kunstausstellung_zu_Dresden_im_Jahre_1800.djvu/22&oldid=- (Version vom 22.9.2024)