Thüre gelegt hatte, und aus dem er die Brautgaben
nehmen wollte, war der Sack heimlich gestohlen. Auf
angestellte Untersuchung wurde er dennoch wieder entdeckt,
und dem Gast zugestellt; der nun, der geschehenen
Verlobung sicher und gewiß, die Gaben der
Jungfrau zustellte. Sie aber sprach dieses: „nicht
ziemt’s einer Christenfrau, einen Heidenmann zu nehmen;
fügt es jedoch der Schöpfer, daß er durch mich
bekehrt werde, so weigere ich mich nicht seinem Gesuch,
sondern des Herrn Wille ergehe.“ Die Jungfrau
bat aber: „alles, was sie gesagt, geheim zu halten,“
und hinterlegte den Ring, den ihr Chlodowich
gesandt hatte, in ihres Oheims Schatzkammer.
Die Scheere und das Schwert.
Greg. turon. hist. III. 18. |
Als Crothild, die alte Königin, sich der verwaisten Kinder Chlodomers ihres Sohnes annahm, und sie zärtlich liebte: sah das, mit Neid und Furcht, König Childebert ihr andrer Sohn; und er wollte nicht, daß sie mit der Gunst seiner Mutter ein Mal nach dem Reich streben möchten. Also sandte er insgeheim an König Chlotar seinen dritten Bruder: „unsre Mutter hält die Kinder unsers Bruders bei sich, und denkt ihnen das Reich zu; komm schnell nach Paris, auf daß wir, überlegen, was rathsamer zu thun sey: entweder ihnen das Haupthaar zu scheeren,
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_103.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)