Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V2 230.jpg

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Ach Brennberger, allerliebster Diener mein, wie ist es dir ergangen, was bringst du guter Mähre? Edle Frau – antwortete der Ritter – ich habe Lieb und Leid gehabt, wie man noch nie erhört. Dreizehn Tage hatte ich feil meinen Kram vor dem Burgthor; nun möget ihr Wunder hören, welches Heil mir widerfuhr; jeden Abend wurde ich eingelassen, und mußte bei jeder Jungfrau besonders liegen; ich furchte mich, es könnte nicht so lang verschwiegen bleiben, und die letzte Nacht wollte mich die Königin selber haben. – Weh mir, Brennberger, daß ich je geboren ward – sprach die Herzogin – daß ich dir je den Rath gab, die edle Frau zu kränken; nun sag mir aber, welche die Schönste sey unter uns zweien? – Frau, in Wahrheit, sie ist schön ohn Gleichen, nie sah ich ein schöner Weib auf Erden; ein lichter Schein brach von ihrem Angesicht, als sie das erste Mal vor meinen Kram ging, sonderliche Kraft empfing ich von ihrer Schöne. – Ach Brennberger, gefällt sie dir besser als ich, so sollst du auch ihr Diener seyn! – Nein, edle Frau, das sag ich nicht; ihr seyd die Schönste in meinem Herzen.– Nun sprachst du eben erst, kein schöner Weib habest du nie gesehen – Wißt Frau, sie hatte einen hohen Mund, darum seyd ihr schöner auch an Hals und Kinn; aber nach euch ist die Königin das schönste Weib, das ich je auf der Welt gesehen; das ist meine allergrößte Klage, ob ich einen unrechten Tod an ihr, verdient hätte!



Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_230.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)