Drauf hebt er zum zweiten Mal die Wage, und abermal
hängte sich Satan unten dran, und machte seine
Schale lastend; wehe – sprach der Engel – der zweite
Zug geht zum Gericht! Und zum dritten Mal hob er
und zögerte; da erblickte er die Krallen des Drachen
am schmalen Rand der Wagschale, die sie niederdrückten.
Da zürnte Michael und verfluchte den Teufel,
daß er zur Hölle fuhr; langsam nach langem Streit
hob sich die Schale des Guten um eines Haares
Breite, und des Königs Seele war gerettet.
Idda von Toggenburg.
Vita S. Iddae cum genealogiis comitum de Tokenburg aus dem Altdeutschen von Albr. v. Bonstetten, im Jahre 1481 übersetzt. repr. Constanc. 1685. 8. Tschudt ad 1142. 1177. |
Ein Rabe entführte der Gräfin Idda von Tokenburg, des Geschlechtes von Kirchberg, ihren Brautring durch ein offenes Fenster. Ein Dienstmann des Grafen Heinrichs, ihres Gemahls, fand und nahm ihn auf; der Graf erkannte ihn an dessen Finger. Wüthend eilte er zu der unglücklichen Idda, und stürzte sie in den Graben der hohen Tokenburg; den Dienstmann ließ er am Schweif eines wilden Pferdes die Felsen herunter schleifen. Indeß erhielt sich die Gräfin im Herabfall an einem Gesträuch, wovon sie sich Nachts losmachte. Sie ging in einen Wald, lebte
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_241.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)