einiger Zeit schwanger befand, ging sie mit dem Grafen
nach St. Gallen, und gelobte dem Kloster das
Kind, wenn es ein Knabe wäre. Vierzehn Tage vor
ihrer Niederkunft erkrankte plötzlich Wendilgart, und
starb. Das Kind aber wurde lebendig aus dem Leichnam
geschnitten, und in eine frisch abgezogene Speckschweinschwarte
gewickelt. So kam es auf, wurde Burkhart
getauft, und sorgsam im Kloster erzogen. Das
Kind wuchs, zart von Leib, aber wunderschön; die Brüder
pflegten ihn den ungebornen (Burcardus ingenitus)
zu nennen. Seine Haut blieb immer so fein, daß jeder
Mückenstich Blut heraus zog, und ihn sein Meister
mit der Ruthe gänzlich verschonen mußte. Burkard
der ungeborne ward mit der Zeit ein gelehrter,
tugendhafter Mann.
Stiftung des Klosters Wettenhausen.
Crusius ann. suev. dod. II. p. 148. nach Brusch |
Zwischen Ulm und Augsburg, am Flüßchen Camlach, liegt das Augustinerkloster Wettenhausen. Es wurde im Jahr 932 von zwei Brüdern, Conrad und Wernher, Grafen von Rochenstain, oder vielmehr von deren Mutter Gertrud gestiftet. Diese verlangte und erhielt von ihren Söhnen so viel Lands zur Erbauung einer heiligen Stätte, als sie innerhalb eines Tages umpflügen könnte. Dann schaffte sie einen ganz kleinen Pflug, barg ihn in ihren Busen, und umritt dergestalt
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 261. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_281.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)