Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V2 331.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


sagte „eh’ wollt ich mich begraben lassen, als daß ihm nur ein Finger schwüre!“ zürnte dem Kammerweib, und verwies sie seitdem aus ihrer Huld. Giftig ging die Verrätherin hin zu Belayens Magen, die dem Helden die Königstochter neideten, und brachte ihnen falsche Lügen vor. Da berieth sich Belayens Sippschaft, daß sie aus Loherangrin das Fleisch, womit allein Belayens Noth gelindert werden könnte, schneiden wollten; und als er eines Tages wieder auf die Jagd gegangen und entschlafen war, träumte ihm: tausend Schwerter stünden zumal ob seinem einzigen Haupt gezückt. Erschrocken fuhr er auf, und sah die Schwerter der Verräther. Alle bebten vor dem Helden, mit seiner einen Hand erschlug er mehr denn hundert. Sie waren aber unter einander zu fest verbunden, und ließen nicht nach, ihn anzugreifen: bis ihm ihrer zu viel wurde, und er eine Wunde durch den linken Arm empfing, so schwer, daß sie kein Arzt heilen konnte. Als sie ihn todtwund sahen, fielen sie ihm alle zu Füßen, seiner großen Tugend wegen. Belaye starb nach empfangener Todesbotschaft alsbald vor Herzeleid. Loherangrin und Belaye wurden gebalsamt und zusammen eingesargt, hernach ein Kloster über ihren Gräbern gebauet; ihre Leichname werden da den Pilgrimen noch gewiesen. Das Land, vorher Lyzaborie genannt, nahm von ihm den Namen Lotharingen an. Diese Begebenheit hat sich ereignet nach Christi Geburt fünfhundert Jahr.

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 311. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_331.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)