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Christian Schad (Hrsg.): Deutscher Musenalmanach, 4. Jahrgang

Heinrich Heine.




Das Hohelied.


Des Weibes Leib ist ein Gedicht,
Das Gott der Herr geschrieben
In’s große Stammbuch der Natur,
Als ihn der Geist getrieben.

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Ja, günstig war die Stunde ihm,

Der Gott war hoch begeistert;
Er hat den spröden, rebellischen Stoff
Ganz künstlerisch bemeistert.

Fürwahr, der Leib des Weibes ist

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Das Hohelied der Lieder;

Gar wunderbare Strophen sind
Die schlanken, weißen Glieder.

O, welche göttliche Idee
Ist dieser Hals, der blanke,

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Worauf sich wiegt der kleine Kopf,

Der lockige Hauptgedanke!

Der Brüstchen Rosenknospen sind
Epigrammatisch gefeilet;
Unsäglich entzückend ist die Cäsur,

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Die streng den Busen theilet.


Empfohlene Zitierweise:
Christian Schad (Hrsg.): Deutscher Musenalmanach, 4. Jahrgang. Stahel'sche Buchhandlung, Würzburg 1854, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Musenalmanach_1854.pdf/23&oldid=- (Version vom 31.7.2018)