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Ammoniak verwendet werden. Sehr große Mengen von Schwefelsäure dienen weiter zur Überführung von Chlornatrium in Salzsäure und Sulfat und von Chilesalpeter in Salpetersäure, Sulfat und Bisulfat und zur Umwandlung von Kaolin in schwefelsaure Tonerde. Aber auch zu vielen anderen chemischen Zwecken wird Schwefelsäure verwendet, z. B. in der Metallindustrie als Beize, oder zur Trennung von Gold und Silber, ferner zur Herstellung von Salzen, Füllung von Akkumulatoren usw.

Bei allen diesen Verwendungen handelt es sich gewöhnlich um die seit zirka 150 Jahren bekannte sogenannte englische Schwefelsäure, welche in zwei Formen als Kammersäure und als die etwas stärkere aber unreinere Gloversäure gewonnen wird. Hiervon dient die Kammersäure, welche in riesigen bis zu 30 000 cbm Inhalt besitzenden Kammern aus Bleiblech erzeugt wird, zur Fabrikation künstlicher Düngemittel oder wird durch Abdampfen des in ihr vorhandenen Wassers (35–40 Proz.) in Bleipfannen, Glas-, Porzellan-, Quarzglas-, Eisen- oder Platingefäßen in die gewöhnliche Handelsware von 93–98 Proz. übergeführt. Aus dieser läßt sich dann durch Ausfrieren eine Schwefelsäure von 100 Proz. (Monohydrat) herstellen.

Der ungeheure Bedarf an Schwefelsäure, welcher sich von Jahr zu Jahr durch den erfreulicherweise steigenden Gebrauch von künstlichen Düngemitteln in Deutschland erhöht hat, ist nicht ohne Einfluß auf den Fabrikationsgang geblieben, zumal der englischen Schwefelsäure ein immer ernster werdender Konkurrent in der rauchenden Schwefelsäure herangewachsen ist.

Da man nicht bereits bestehende, mit großen Kosten errichtete Bleikammersysteme, solange sie noch mit gutem Erfolge arbeiten, beseitigen mag, so wurden wenigstens da Verbesserungen eingeführt, welche außerhalb dieses Systemes lagen.

Vor allem ist dieses bei dem ersten Stadium der Schwefelsäuregewinnung, bei der Herstellung der schwefligen Säure schon vielfach geschehen.

Die schweflige Säure wird zum größten Teil durch Abrösten des meistens aus Spanien und Portugal bezogenen Schwefelkieses (Pyrit) erhalten. Deutschland bezog im Jahre 1888 von dort 175 000 Tonnen im Werte von 3,5 Mill. Mark; die heutige Einfuhr beträgt 1 Mill. Tonnen im Werte von 29 Mill. Mark.

Die Röstöfen, in welchen die schweflige Säure aus Pyrit hergestellt wird, waren, wenn es sich um den sandigen Kies (Feinkies) handelt, früher nach dem System Maletra mit Handbetrieb eingerichtet.

Bei diesem Ofensystem sind die Arbeiter, welche öfters die Arbeitstüren zu öffnen haben, um den Kies umzurühren und von Etage zu Etage herabzuschaufeln, naturgemäß den schädlichen Dämpfen der schwefligen Säure ausgesetzt. Dieser Übelstand ist nun durch mechanisch arbeitende Röstöfen beseitigt, welche oft von so riesigen Dimensionen sind, daß man in ihnen täglich 25[1] Tonnen Kies verarbeiten kann.

Bei dem zweiten Stadium, der Überführung der in den Kiesöfen enthaltenen schwefligen Säure in Schwefelsäure sind die alten, großen Bleikammern schon vielfach durch das auf kleinerem Raume dasselbe leistende, intensiv arbeitende runde Tangentialsystem oder durch Reaktionstürme ersetzt, wie sie in den Glovertürmen schon von früher vorhanden sind.

Endlich ist bei dem letzten Stadium, bei der Gewinnung der üblichsten Handelsware

  1. Druckfehlerberichtigung im 3. Band: lies „25 Tonnen“ statt „25 000“
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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 582. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/145&oldid=- (Version vom 31.7.2018)