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großen Kapitalmächte nie ohne intime Fühlung mit ihren auswärtigen Ämtern vor; es wäre zu wünschen, daß auch in Deutschland die große Politik sich der Bankwelt für ihre Minen und Gegenminen immer mehr bedient. Auch auf dem Gebiete der Kolonialpolitik haben unsere Banken verdienstvoll gewirkt, und namentlich die großen Gesellschaften in Südwestafrika, aber auch in Deutsch-Ostafrika zeigen eine rege Betätigung deutschen Großkapitals. Und das ist um so mehr anzuerkennen, als unsere Bankwelt nicht gerade begeistert in die Kolonialpolitik hineingegangen ist, da sie das ganz unbekannte und unerschlossene Terrain fürchtete. Auch hier wird es die Aufgabe der Kolonialverwaltung sein, das deutsche Großkapital immer mehr für eine Betätigung in den deutschen Kolonien, die ja doch Heimatland sind, zu interessieren und ihm bei seinen Unternehmungen ratend und fördernd zur Seite zu stehen. Das kann geschehen unbeschadet der berechtigten Interessen der Farmer und Siedler, denn es gibt eine große Reihe von Aufgaben auch in den deutschen Kolonien, die nur vom Großkapital zu lösen sind.

Schlußbetrachtung.

Das Bild, das wir versucht haben für das deutsche Bankwesen der letzten 25 Jahre zu zeichnen, ist naturgemäß nur skizzenhaft; es ist ein zu ausgedehntes Gebiet und konnte in dem knappen Rahmen dieser Arbeit nur in großen Zügen geschildert werden. Aber das eine wird sich auch aus dieser kurzen Darstellung ergeben: es ist ein ungeheures Quantum produktiver wirtschaftlicher Arbeit, das tagaus, tagein von den deutschen Banken geleistet wird. – Genügt nun – mit dieser Betrachtung möchten wir schließen – die Organisation unserer Bankinstitute ihrer Riesenaufgabe, und sind die an der Spitze stehenden Männer der ungeheuren Verantwortung, die sie zu tragen haben, gewachsen? Die Organisation unserer Banken ist, ebenso wie sie selber, in natürlicher, schrittweiser Entwicklung entstanden. Bei den größten Instituten, den Berliner Großbanken, ist sie vorbildlich und musterhaft; der Apparat funktioniert außerordentlich schnell und glatt, und im Laufe eines Tages wickeln sich in den Banken eine Unsumme manchmal recht schwieriger und komplizierter Transaktionen ab. Jedes Rad an diesen ungeheuren Maschinen funktioniert prompt; es hat sich allmählich und im Laufe der Jahrzehnte eine zum Teil bewundernswerte Technik herausgebildet, die aber freilich für staatliche Institute, die nach ganz anderen Grundsätzen und unter ganz anderen Gesichtspunkten arbeiten, keineswegs ohne weiteres nachzuahmen ist. Für die Staatsverwaltung die Formen des kaufmännischen Großbetriebs zu verlangen, ist ein Unding; beide können freilich manches voneinander lernen und haben wohl auch gelernt. Daß trotz scharfen Kontrollen und eifriger, aufreibender Arbeit Fehler, Veruntreuungen bei den Banken vorkommen, ist nicht zu verwundern; menschliches wird aus menschlichen Institutionen nie auszumerzen sein. Bedenkt man aber, welche Milliarden im Jahre in den deutschen Bankpalästen umgesetzt werden, und welche ungeheuren Summen dabei in die Hände von manchmal ganz untergeordneten Organen gelegt werden müssen, so wird man seine ehrliche Anerkennung nicht versagen dürfen. Im geschäftlichen Leben, wo man mit der Konkurrenz und der Kundschaft rechnen muß, können unmöglich die Kautelen und Kontrollen geschaffen werden, die im amtlichen Leben möglich sind. Die

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 757. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/320&oldid=- (Version vom 20.8.2021)