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Regierungen der Staaten, deren Industrie mit der unserigen den Weltmarkt beherrscht, den Zusammentritt einer Konferenz anzuregen, um die Herbeiführung gleichmäßiger internationaler Regelungen der Grenzen für die Anforderungen anzustreben, welche an die Tätigkeit der Arbeiter gestellt werden dürfen. Der Reichskanzler wird Ihnen Abschrift Meines an ihn gerichteten Erlasses mitteilen.

Ausbau des Arbeiterschutzes.

Eine neue Botschaft war es, die der Kaiser an sein Volk richtete. Nach erneuertem, feierlichem Bekenntnis zu der Novemberbotschaft Kaiser Wilhelms I. und zu der durch diese inaugurierten Arbeiterversicherungsgesetzgebung wird die Pflicht eines weiteren Ausbaues der Arbeiterschutzgesetzgebung als deren notwendige Ergänzung mit Nachdruck proklamiert. Insbesondere wird es als Aufgabe der Staatsgewalt anerkannt, „die Zeit, die Dauer und die Art der Arbeit so zu regeln, daß die Erhaltung der Gesundheit, die Gebote der Sittlichkeit, die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Arbeiter und ihr Anspruch auf gesetzliche Gleichberechtigung gewahrt bleiben“. In voller Wahrung und in Betätigung dieser gesetzlichen Gleichberechtigung sollen die Arbeiter „durch Vertreter, welche ihr Vertrauen besitzen, an der Regelung gemeinsamer Angelegenheiten beteiligt und zur Wahrnehmung ihrer Interessen bei Verhandlung mit den Arbeitgebern und mit den Organen der Regierung befähigt werden“. Diese Vertretung soll gesetzlich gesichert werden, um so „den Arbeitern den freien und friedlichen Ausdruck ihrer Wünsche und Beschwerden zu ermöglichen“ und andererseits auch „den Staatsbehörden Gelegenheit zu geben, sich über die Verhältnisse der Arbeiter fortwährend zu unterrichten und mit den letzteren Fühlung zu behalten“. Dabei sollen die staatlichen Bergwerke als „Musteranstalten“ den privaten Betrieben voranleuchten.

Der Kaiser ist sich der Schwierigkeiten der neu proklamierten Aufgabe wohl bewußt, aber auch ebenso ernstlich entschlossen, sie zu überwinden. Die Schwierigkeiten waren doppelter Art. Einmal lagen sie in der Bestimmung der Wege und des Maßes des Schutzes und in der zutreffenden gesetzgeberischen Formulierung. In dieser Beziehung wandte sich der Kaiser an den Staatsrat. Von Bismarck noch mehr in den Vordergrund geschoben wurden die Bedenken der Konkurrenzfähigkeit unserer nationalen Industrie auf dem Weltmarkt. Um diese wenigstens zu mindern, wendet er, „in der Überzeugung, daß auch andere Regierungen von dem Wunsche beseelt sind, die Bestrebungen einer gemeinsamen Prüfung zu unterziehen, über welche die Arbeiter dieser Länder unter sich schon internationale Verhandlungen führen,“ sich vertrauensvoll an diese Staaten, „um in Unterhandlung zu treten behufs einer internationalen Verständigung über eine Möglichkeit, denjenigen Bedürfnissen und Wünschen der Arbeiter entgegenzukommen, welche in den Ausständen der letzten Jahre und anderweit zutage getreten sind“. Es soll geprüft und klargestellt werden, wieweit diesen internationalen Bestrebungen und den Ausständen ein berechtigter Kern zugrunde liegt und dieser herausgehoben und durch gemeinsame Regelung beseitigt werden.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 823. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/386&oldid=- (Version vom 20.8.2021)