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Verfahrens soll unter anderem in der Gewinnung reinerer Säfte, einer Ersparnis an Kohlen und der Vermeidung der für die Zuckerfabriken und ihre Umgebung sehr lästigen Abwässer beruhen. Ob sich dieses Verfahren allgemeiner einführen wird, kann nur die Zukunft lehren.

Zur Hebung der Erträge sind die Zuckerfabriken von jeher bemüht gewesen, die nach der Abscheidung des Zuckers (Nachprodukt) verbleibende Melasse noch weiter zu verarbeiten, sei es auf Zucker durch die Anwendung des Strontianverfahrens oder durch Verarbeitung auf Spiritus in den Melassebrennereien.

Die entzuckerte Melasseschlempe kann vergast werden. Dabei werden als Enderzeugnisse schwefelsaures Ammonium und Zyannatrium gewonnen. Aus der Schlempekohle wird durch Auslaugen Pottasche erhalten. Es findet also eine sehr vollständige Ausnutzung der Bestandteile des Rübensaftes statt.

Neuerdings wird die Melasse auch in größerem Umfange zu Kraftfutter verarbeitet.

Auch in den Zuckerraffinerien haben die letzten 25 Jahre mannigfache technische Neuerungen gebracht, die wesentlich auf eine Herabminderung der Herstellungskosten und eine Erhöhung der Ausbeute an Zucker abzielen.

Neben den technischen Verbesserungen hat die Zuckerindustrie ständig eine weitere Ausdehnung des Zuckerverbrauchs sowohl für die Verwendung als Nahrungsmittel wie auch zu technischen Zwecken nach vorheriger Unbrauchbarmachung für den menschlichen Genuß angestrebt. Gefördert sind diese Bestrebungen durch verschiedene Umstände.

Die Untersuchungen auf dem Gebiete der Ernährungslehre haben in den letzten Jahren die große Bedeutung des Zuckers als Nahrungsmittel nachgewiesen.

Daß die auf eine Hebung des Verbrauchs als Nahrungsmittel abzielenden Bemühungen nicht ganz ohne Erfolg gewesen sind, geht aus den folgenden Zahlen hervor, die den Verbrauch an Zucker (Rüben- und Rohrzucker) auf den Kopf der Bevölkerung in Kilogrammen während des Betriebsjahres 1902/03 bis 1911/12 erkennen lassen.

1902/03: 1903/04: 1904/05: 1905/06: 1906/07:
12,5 17,2 14,4 16,6 16,8
1907/08: 1908/09: 1909/10: 1910/11: 1911/12:
17,1 17,6 17,5 19,0 16,9

Demgegenüber entfällt in England auf den Kopf der Bevölkerung eine Menge von 41,8 kg Zucker jährlich.

Es muß daher zugegeben werden, daß eine Steigerung des Verbrauchs an Zucker für Ernährungszwecke auch bei uns noch möglich ist. Ob die Bestrebungen der Zuckerindustrie eine Steuerbefreiung des zur Herstellung von zuckerhaltigen Obst- und Fruchterzeugnissen dienenden Zuckers zu erreichen und damit den Zuckerverbrauch zu heben, Erfolg haben werden, kann nur die Zukunft lehren. Die Hoffnungen, die sich an die von den gesetzgebenden Körperschaften bereits beschlossene Herabsetzung der Zuckersteuer auf 12 M. für 100 kg geknüpft hatten, sind nicht erfüllt worden, da dieser Beschluß bei Gelegenheit der Beratungen über die Deckung der Mehrkosten wieder aufgehoben wurde.

Auch die Verwendung von steuerfreiem Zucker für rein gewerbliche Zwecke nach vorheriger Vergällung hat sich weiter entwickelt, nachdem man gelernt hat, den Zucker für die verschiedensten derartigen Zwecke zu verwenden. So wird Zucker

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 503. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/66&oldid=- (Version vom 20.8.2021)