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und in mehrfacher Beziehung als Muster für die Regelung der Fleischbeschau im deutschen Reiche gedient hat. So konnte es denn geschehen, daß bereits 2 Jahre nach Einführung der allgemeinen Fleischbeschau im Königreich Sachsen für das ganze Deutsche Reich durch Reichsgesetz vom 3. Juni 1900 eine allgemein verbindliche Schlachtvieh-und Fleischbeschau eingeführt wurde. 10 Jahre ist dieses Gesetz nunmehr in Kraft, und wenn auch zugegeben werden muß, daß einzelne Bestimmungen, so vor allem die über die Hausschlachtungen, der Abänderung bzw. Ergänzung bedürfen, so sind doch alle kompetenten Beurteiler darin einig, daß sich das deutsche Fleischbeschaugesetz in allen wesentlichen Punkten bewährt und dem Deutschen Reiche und seinen Bewohnern reichen Segen gebracht hat.

Milchkontrolle.

Nächst dem Fleische spielt die Milch als Nahrungsmittel tierischen Ursprungs für den Menschen eine wichtige Rolle, und es ist nur folgerichtig, wenn man darauf bedacht ist, die menschliche Gesundheit auch gegen die Gefahren zu schützen, die mit dem Genuß von Milch kranker Tiere verknüpft sind. Auch auf diesem wichtigen Gebiete der Nahrungsmittelhygiene sind in den letzten 25 Jahren Fortschritte zu verzeichnen. Wenn es auch schon seit mehreren Jahrzehnten wenigstens in den Städten eine polizeiliche Milchkontrolle gibt, so richtet sich diese in der Hauptsache doch nur gegen die Entrahmung bzw. Wässerung der Milch, hat also mehr den Geldbeutel der Konsumenten als deren Gesundheit im Auge. Es muß daher als eine bedeutsame Wandlung auf diesem Gebiete der öffentlichen Gesundheitspflege begrüßt werden, daß wenigstens die an einer sachgemäßen Regelung des Milchverkehrs am meisten interessierten Kreise einzusehen beginnen, daß es bei der Milchkontrolle tatsächlich noch andere Dinge zu beachten gibt als Fettgehalt und spezifisches Gewicht. Allerdings ist von dieser Erkenntnis bis zur Einführung einer allen Anforderungen genügenden Milchkontrolle noch ein weiter Weg, und wer die Schwierigkeiten kennt, versteht sehr wohl die Zurückhaltung der Behörden, auf diesem Gebiete gesetzgeberisch vorzugehen. Um so größer ist das Verdienst Preußens, in jüngster Zeit wenigstens den Versuch gemacht zu haben, durch Herausgabe von Normalbestimmungen über die Regelung des Milchverkehrs diese heikle Frage wieder in Fluß zu bringen. War es schon bei der Fleischbeschau schwierig, der Anschauung Geltung zu verschaffen, daß die Kontrolle, wenn sie wirksam sein soll, an den Produktionsstätten einzusetzen habe, so liegen die Verhältnisse noch unendlich viel schwieriger bei der Kontrolle der Milch, deren Gewinnung sich an zahlreichen kleinen Produktionsstätten vollzieht, die nicht einfach durch ein Machtwort, wie bei der Fleischbeschau durch die Bestimmung über die Errichtung von Schlachthäusern, in wenige zentralisierte Betriebe zusammen gelegt werden können. Und doch kann es keinem Zweifel unterliegen, daß auch die „Milchbeschau“ an den Produktionsstätten einsetzen muß, wenn sie ihren Zweck, die Gesundheit des Konsumenten zu schützen, wirklich erfüllen soll.

Eine wichtige Förderung haben die auf eine wirksame Kontrolle der Milch hinzielenden Bestrebungen durch die seit einem Jahrzehnt in allen Kulturstaaten durchgeführten, nunmehr im wesentlichen abgeschlossenen Untersuchungen über die Beziehungen zwischen Menschen- und Rindertuberkulose erfahren. Bekanntlich haben diese Untersuchungen, an

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1438. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/309&oldid=- (Version vom 20.8.2021)