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das Streben so vieler Mitarbeiter, sich gegenseitig zu überbieten, zu gelegentlichen nicht zu billigenden Auswüchsen, vor allem in der Art, daß hoch gezüchtete fremde Sorten zum Ausgangspunkte weiterer züchterischer Arbeit genommen werden, und nach kurzer Zeit und ohne wertvolle Veränderung unter einem neuen Namen auf den Markt gebracht werden. Daß damit die berechtigten Interessen der Züchter, die vorher an der betreffenden Sorte gearbeitet hatten, und denen allein die Verbesserung derselben als Verdienst anzurechnen ist, nicht geschädigt werden, wird jedoch ebenfalls durch eine neuere Errungenschaft der letzten hier behandelten Entwicklungsperiode nach Möglichkeit verhütet.

Öffentliche Saatenanerkennungen.

Dies geschieht durch die neuen Einrichtungen der sogen. Saaten- und Zuchtanerkennungen, wie sie zuerst von der „Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft“ eingerichtet und im Anschluß daran von anderen landwirtschaftlichen Fachorganisationen und Landwirtschaftskammern in ähnlicher Weise übernommen wurden. Es wird hierbei die möglichste Sicherung dagegen erstrebt, daß nicht unter einem anerkannten Namen etwas Falsches und Geringwertiges oder unter einem neuen Namen etwas Altes, an dem bereits ein anderer Züchter ein Recht hat, in die Öffentlichkeit gebracht wird. Diese sogenannte Anerkennung von Leistungen auf pflanzenzüchterischem Gebiete wird in verschiedenen Abstufungen ausgeübt, sowohl für die einfache Erzeugung von Saatgut, die nicht mit wesentlich züchterischer Arbeit verbunden ist, als auch bei den eigentlichen Originalzuchten, bei denen neue selbständige Sorten erstrebt werden, wie auch endlich bei ganzen Saatzuchtwirtschaften, in denen der ganze Wirtschaftsbetrieb geprüft wird, um nach Möglichkeit sowohl den Käufer der fertigen Zuchtprodukte, wie auch die auf ähnlichen Gebieten arbeitenden Züchter in ihren berechtigten Interessen zu schützen. Man kann diese Organisation der neuzeitlichen Saaten- und Zuchtanerkennung als den Regulator in der stürmischen und ungeregelten Entwicklung der pflanzenzüchterischen Arbeiten ansehen, ohne den die überaus starke Beteiligung an diesen Arbeiten zu Übelständen führen könnte.

Anbauversuche.

Als weitere Folge des starken Interesses, das die landwirtschaftliche Pflanzenzüchtung in immer zunehmendem Maße in der Landwirtschaft gefunden hat, ist aber die Tatsache anzusehen, daß man auch in gewöhnlichen landwirtschaftlichen Betrieben, in denen keine eigentliche Pflanzenzüchtung getrieben wird, auf die Beschaffenheit des Saatgutes mehr achtet als früher. Dies ist besonders dadurch noch gesteigert worden, daß sich aus den zahlreichen Sortenprüfungen und Anbauversuchen ergab, daß durch Verwendung verbesserter Sorten und besser vorbereiteten Saatgutes die Felderträge beträchtlich gesteigert werden konnten, ohne daß im Verhältnis dazu die Unkosten in gleichem Maße zunahmen. Wenn auch natürlich die Verwendung besseren und höher gezüchteten Saatgutes etwas teurer ist als die von gewöhnlicher Saat, und wenn auch die höheren Ernteerträge etwas mehr Werbungs- und Bergungskosten verursachen, so ist doch die Ertragssteigerung bei wirklich wertvollem Saatgute noch beträchtlicher

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1455. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/326&oldid=- (Version vom 20.8.2021)