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III. Die Tierzucht
Von Professor Dr. S. von Nathusius †, Halle a. S.


Die Tierzucht hat im allgemeinen Aufschwunge der deutschen Landwirtschaft durchaus mit den übrigen Betriebszweigen Schritt gehalten, obwohl nicht zu verkennen ist, daß die Entwickelung der neuzeitlichen Wirtschaft in vieler Beziehung nicht nur fördernd, sondern häufig geradezu hindernd für sie gewesen ist. Es darf da nur erinnert werden an die riesige Zunahme des künstlichen Düngemittel-Verbrauchs, sowie des Gründüngungsanbaues, ferner an die Massenerzeugung von wasserhaltigen Futtermitteln (Rübenschnitzel, Rübenblätter, Schlempe), die unzweifelhaft ungünstig auf die Widerstandsfähigkeit des tierischen Körpers wirken.

Die Pferdezucht.

Wenn von diesen und ähnlichen Einflüssen die Pferdezucht am wenigsten berührt werden konnte, so hat sie wieder mit besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt. Sie hat sich in ihrer Zuchtrichtung in überwiegendem Maße nach den Bedürfnissen der Landwirtschaft zu richten, da nur die Pferdezucht dauernd erfolgreich arbeiten kann, in der die Zuchtstute voll den Anforderungen der Wirtschaft an ein Arbeitspferd gerecht wird. In den vergangenen 25 Jahren hat nun die Intensivierung unserer Betriebe weitere große Fortschritte gemacht, und damit ist ein stark vermehrter Gebrauch von schweren sog. Schrittpferden eingetreten. Dadurch hat vielfach eine ganz neue Zuchtrichtung einsetzen müssen.

Leider wird die unabänderliche Folgerichtigkeit dieser Entwickelung nicht allgemein anerkannt und noch immer werden Versuche gemacht, die natürliche Entwickelung der Pferdezucht zu beeinflussen und die Edelzucht künstlich zu erhalten. Es ist selbstverständlich, daß es gerade für ein Land wie Deutschland von größter Bedeutung ist, im Interesse der Wehrfähigkeit eine blühende Laufpferdezucht zu erhalten. Daß hierfür bedeutende Mittel aufgebracht werden müssen, ist klar und das einzig wirklich wirksame Mittel liegt auf diesem Gebiete. Ganz besonders müssen die Remontepreise weiter steigen. Denn auf die Dauer ist die Rentabilität der einzig maßgebende Wertmesser eines landwirtschaftlichen Betriebszweiges, auch der Pferdezucht. Man kann wohl eine Schrittpferdezucht in der Landespferdezucht verhindern, eine Laufpferdezucht erhalten kann man aber nur, wenn man sie rentabel macht.

So darf es nicht verwunderlich erscheinen, wenn die Kaltblutzucht mit verschwindenden Ausnahmen in alle Landesteile Deutschlands Eingang gefunden hat und, daß sie mit der weiteren Intensivierung der Landwirtschaft immer weiter sich ausdehnen wird. Man soll die Größe dieser Gefahr für die Remontierung nicht unterschätzen, aber auch nicht ihre Unabwendbarkeit. Sie kann nur durch Aufwendung großer Summen gemildert werden.

In einer Zeit, die das deutsche Volk so opferfreudig sieht, sollte man sich nicht scheuen, für 20 000 Remonten jährlich eine nicht zu unbedeutende Preiserhöhung als selbstverständlich anzusehen. Ein erstklassiges schweres Arbeitspferd kostete vor 25 Jahren

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1466. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/337&oldid=- (Version vom 29.1.2017)