Seite:Deutschland unter Kaiser Wilhelm II Band 3.pdf/572

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

können nicht ein Sinken verhüten, wenn unsere Seele ermattet und leer wird.“ So sagt Rudolf Eucken mit Recht im Schlußwort seines Buches „Zur Sammlung der Geister“.

Das vergangene Vierteljahrhundert hat Tüchtiges vor sich gebracht. Es hat gewiß noch mehr begonnen, als vollendet, es hat unter vielen Problemen auch das große soziale politisch noch nicht zur Lösung gebracht, aber es hat reichlich das Seine getan, die Voraussetzungen zu schaffen für eine würdige, vielleicht für eine große nationale Zukunft. Ein unerhörter wirtschaftlicher Aufschwung stellt der kommenden Zeit Mittel zur Verfügung, über die auch nur annähernd noch niemals eine deutsche Vergangenheit verfügt hat. Eine gewaltige Rüstung, getragen von einer Volksmasse, die Deutschland nie zuvor in seinen Grenzen gefaßt hat, macht uns zu einem kaum überwindlichen Gegner auch für die stärkste Macht. Auf dem Weltmeer weht die deutsche Flagge ebenbürtig neben denen der alten Seemächte, und die deutsche Kriegsflotte ist die zweite der Welt. Auf allen Gebieten wirtschaftlicher und geistiger Betätigung hat das deutsche Volk seine alte Schaffenskraft behauptet, sich nirgends, auch nicht im Praktischen, wie so oft in früheren Jahrhunderten, überflügeln lassen. Reicher ausgestattet mit allen Mitteln, die ein Volk bereit stellen kann, sind wir Deutsche nie vor unsere Zukunft getreten. Wenn es schwere und große Aufgaben sind, die unser warten, so sind wir selten besser für sie vorbereitet worden als während der ersten 25 Jahre der Regierung unseres Kaisers. Nicht auf Vollendetes dürfen wir jetzt schon stolz sein, denn es ist alles im Werden. Aber auf das Vollbrachte dürfen wir immerhin mit Zuversicht unsere Zukunft bauen. Wir haben kein anderes Fundament als dieses, und auch der, der vielleicht ein besseres wünscht, kann praktisch doch nichts anderes tun, als mit seiner Arbeit und seinem Streben da einzusetzen, wo die jüngste Vergangenheit aufgehört hat, zu schaffen. Die großen Ziele künftiger nationaler Entwicklung müssen erreicht werden auf den Wegen, die wir bereitet finden. Und die lebenden Deutschen können keinen größeren Wunsch hegen, als den, daß sie zu diesen Zielen geführt werden von Kaiser Wilhelm II.

Ein deutscher Geistlicher[1] beschreibt in einer Hamburger Zeitschrift ein Gespräch mit einem Amerikaner, der ihm sagte: „Es gibt in der ganzen Welt kein so gut regiertes Land wie Deutschland, aber kein Volk der Welt ist zugleich so wenig zufrieden. Kein Land hat so unparteiische Gerichte, während bei uns der reichste Prozeßführer selbstverständlich immer gewinnt, wenn er auch ein Räuber oder Mörder ist, und nirgends wird soviel über das Gericht räsoniert, wie bei Ihnen. Kein Land der Welt hat eine solche Armee wie Deutschland und wie wird in jedem Reichstag über sie hergezogen. Kein Land der Welt hat einen solchen Kaiser, wie Sie, mit steigender Achtung und Bewunderung sieht die ganze Welt auf ihn und wie kleinlich wird er im eigenen Lande bekrittelt. − − − Wenn Ihr Kaiser einmal gestorben ist, dann werden wahrscheinlich dem Lande die Augen darüber aufgehen, was es an ihm gehabt hat, aber natürlich zu spät!“ Mögen wir Deutschen die Worte des Fremden beherzigen.


Gott schütze und segne den Kaiser!

  1. Pastor Schneller.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1701. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/572&oldid=- (Version vom 14.2.2021)