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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

der hochwürdigen Aebtissin Mathilde anvertraut, deren ich schon 998. oben gedachte und in deren Stadt Quidilingaburg das Mädchen erzogen ward. Die Aebtissin nun hielt einen Fürstentag zu Darniburg [1]. Währenddeß erstieg Wirinhari, nicht, wie ich glaube, auf Anrathen seines Vaters, sondern aus Liebe zu der Jungfrau und aus Furcht vor der ihm bevorstehenden öffentlichen Beschimpfung, mit meinen Brüdern Heinrich und Fritherich und andern trefflichen Rittern Quidilingaburg, und entführte seine widerstrebende und wehklagende Braut mit Gewalt, und kam vergnügt und wohlbehalten mit seinen Gefährten nach Wallibiki [Walbeck]. Als die Aebtissin dieses von einem zuverlässigen Manne erfuhr, klagte sie es erzürnt mit weinenden Augen allen Fürsten, und bat und befahl, sie möchten allesammt mit den Waffen in der Hand diese Landfriedensbrecher verfolgen und fangen oder tödten und die Jungfrau wieder zu ihr zurückbringen. Und ohne Verzug waren die Ritter gerüstet und eilten, diesen Befehl zu erfüllen, indem sie darnach lechzten, jenen, bevor sie die feste Stadt besetzt hätten, auf kürzeren Wegen zuvor zu kommen, und sie dann entweder gefangen zu nehmen oder zu erschlagen, oder mindestens in die Flucht zu treiben. Da aber erfuhren sie von Wanderern, daß die, denen sie nachsetzten, bereits in Besitz der bekannten Festung seien; die Thore seien geschlossen und die Besatzung zahlreich; niemand könne hinein; sie seien entschlossen sich zu wehren oder zu sterben und die Braut nicht herauszugeben. Nachdem die Ritter dies gehört hatten, kehrten sie traurig zurück. Liuthar aber begab sich nebst Alfrich dem Aelteren und Thietmar, dem Ritter des Grafen Ekkihard, zu der Braut hin, um ihre Gesinnung zu erforschen, und als sie sich hinlänglich überzeugt hatten, daß sie lieber da bleiben, als fort wolle, machten sie der Aebtissin und den Uebrigen davon Anzeige. Als die Aebtissin nun die Reichsfürsten über diese Angelegenheit zu Rathe zog, antworteten ihr diese, es scheine ihnen am besten, zu Magadaburg eine Versammlung anzustellen, zu der sich der Bräutigam mit seiner Verlobten begeben, und vor der alle seine

  1. Jetzt Derenburg, in der Nähe von Halberstadt, an der Holzemme gelegen.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/141&oldid=- (Version vom 24.9.2023)