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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

1002 ziehen konnte, ward von den Alemannen eine That verübt, die wir nicht mit Stillschweigen übergehen können.

Gerhard, Graf vom Elsaß, hatte vom Könige eine Grafschaft Herzog Herimans zu Lehen erhalten. Auf der Heimkehr von da nun hatte er vor einer Stadt das Lager aufgeschlagen. Die Bewohner derselben erlangten nur mit Mühe von ihm einen Waffenstillstand für eine Nacht, und darauf kamen sie voll Hinterlist, vorgeblich zur Unterredung, in der That aber um zu spähen, ins Lager. Einer der Städter, dessen List und Gewandtheit sich gar oft bewährt hatte, kam näher als alle übrigen heran, zog die vor dem gräflichen Zelte aufgesteckte Fahnenlanze, vermittelst welcher der Graf vom König das Lehen des Herzogs erhalten hatte, empor, sah sich umher, begann mit derselben davon zu laufen, und erreichte, indem alle Gräflichen vergeblich hinter drein rannten, wohlbehalten die Stadt. Hier entstand sogleich großer Jubel, das Thor ward geschlossen und der seines Ehrenzeichens beraubte Graf ward verhöhnt. Zuerst versuchte er die Lanze durch allerhand gütliche Versprechungen wieder zu erlangen; vergebens, sie weigerten die Herausgabe, und so zog er bekümmert ab, indem er sein Lehen sowohl als sein Feldzeichen eingebüßt hatte.


14. In einer anderen sehr festen Stadt, in Brizach [Breisach], befanden sich zwei Bischöfe, der von Straßburg und der von Basel, mit Besatzungstruppen, welche täglich zum Futterholen bewaffnet auszureiten pflegten. Diese Gelegenheit nun nahmen die Freunde des Herzogs sorgfältig wahr, und erschienen, als eine solche Schaar aus der Stadt fort war, in ähnlichem Aufzuge singend mit beladenen Rossen am Thore, wurden auch von den Wachen als vermeintliche Cameraden eingelassen. Dann aber warfen sie sofort das Gepäck nieder, gaben sich mit lauter Stimme als Feinde zu erkennen und plünderten alles. Die beiden Bischöfe entrannen nur mit genauer Noth.

Darnach erschien, wie gesagt, Herzog Heriman, der Sohn des Oheims meiner Mutter, indem Gott sein Herz gerührt hatte,

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/186&oldid=- (Version vom 28.9.2023)