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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

1015 setzte, so wie er merkte, daß die Unseren getheilt abgezogen waren, ohne eine Bedeckung hinterlassen zu haben, am 13. Septbr. mit sieben Heerschaaren mit Anbruch der Morgenröthe bei Meißen über die Elbe, und befahl einem Theile der Seinigen, das Land ringum zu verheeren, einem anderen, die Stadt zu stürmen. Als das die Wencinicen[1] sahen und daran verzweifelten, sich schützen zu können, stiegen sie empor in die Festung der obengelegenen Stadt, indem sie beinahe alles Ihrige zurückließen. Darüber hoch erfreut, rückten die Feinde in die verlassene Unterstadt ein, und zündeten dieselbe an, nachdem sie alles was sie fanden, hinweggeschleppt hatten; dann aber steckten sie auch die obere Burg an zwei Stellen in Brand und griffen sie unermüdlich an. Graf Heriman aber, welcher sah, daß seine gar wenigen Mitkämpfer bereits ermattet waren, warf sich nieder und flehte den Herrn Christus um seine Liebe und dessen ruhmreichen Märtyrer Donat um seine heilige Verwendung an, und forderte dann die Frauen auf, zur Hülfe herbei zu eilen. Diese kamen an die Brustwehren und trugen den Männern Steine zu, das angelegte Feuer aber löschten sie, weil das Wasser ausgegangen war, mit Meth, und schwächten, Gott sei Dank! des Feindes Wuth und Wagelust. Misico, der das alles von dem danebengelegenen Berge mit ansah, wartete auf die Rückkunft seiner Gefährten. Diese verheerten und verbrannten, wo sich nur Feuer fand, alles bis an die Gana [Jahna][2], und kehrten spät auf müden Pferden zurück. Dort wären sie wohl mit ihrem Herrn die Nacht geblieben, um die Stadt am anderen Tage zu berennen, hätten sie die Elbe nicht steigen sehen. Deshalb zog das Heer, obwohl außerordentlich ermattet, mit einer unerwarteten Sicherheit wieder zurück, und blieb unverhofft wohlbehalten, und erleichterte durch dies Glück das geängstete Herz seines Führers. Der Kaiser aber sandte, als er das vernahm, so viel Krieger er zusammenbringen

  1. Dasselbe was die oben (6, 37) genannten Wethenicen, so viel wie vojnik, wojownik, Krieger.
  2. Die Jahna ist ein kleiner Fluß, welcher in der Nähe von Riesa von links in die Elbe fließt.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/311&oldid=- (Version vom 6.10.2023)