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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

unfruchtbaren Baume Gott dem Allmächtigen einen neuen Anschuß hervor; er schuf nämlich unter einem nur allzu rohen Volke die Pflanzung der heiligen Predigt. Indem er durch Unermüdlichkeit im Nachtwachen, Fasten und Schweigen seinen Leib kasteite, richtete er sein Herz auf den Spiegel frommer Beschaulichkeit hin. Als nun König Wlodemir dieses Mannes Rede vernahm, setzte er ihn nebst seinem Sohne, der auf geheimes Zureden Bolizlav’s auf seinen Vater einwirken sollte, sowie auch dessen Gemahlin gefangen, und zwar alle in getrennten Gefängnissen. Im Kerker nun vollzog der ehrwürdige Vater, was er vor der Welt so nicht auszuführen vermochte, im Geheimen voll Eifers zum Preise des Herrn. Indem er hier durch Ströme von Thränen und durch das Opfer eines aus zerknirschten Herzen dargebrachten Gebetes mit dem höchsten Priester sich versöhnte, ging er, aus der engen Haft des Körpers befreit, freudig hinüber zur Freiheit ewiger Glorie. Der Name dieses Königs bedeutet wörtlich: „Macht des Friedens“, aber mit Unrecht, weil der Friede, den die Gottlosen mit einander haben oder die Bewohner dieser Welt genießen, kein wahrer Friede ist; denn derselbe schwankt beständig; nur der erfreut sich des Friedens recht eigentlich, der, alle Bewegungen seines Gemüthes bezwingend, des Reiches Gottes unter dem Beistande der aller Noth obsiegenden Geduld sich würdig macht. Jener Bischof lacht jetzt, in himmlischer Ruhe sitzend, der Drohungen des ungerechten Mannes, und sieht in seiner jetzigen gedoppelten Keuschheit [des Geistes, wie des Leibes], auf jenen Wollüstling hin, wie er in den rächenden Flammen leidet, denn, wie unser Lehrer St. Paulus bezeugt: „Die Ehebrecher wird Gott richten.“ [Hebr. 13, 4.] Als Bolizlav nun von dem allen Nachricht erhielt, ließ er nicht ab, sich, so viel er konnte, Rache zu suchen. Darnach verstarb jener König hochbetagt, sein ganzes Besitzthum seinen beiden Söhnen hinterlassend, während der dritte noch im Kerker blieb. Nachher erst entkam er, ohne seine Gemahlin mitnehmen zu können, zu seinem Schwiegervater. Jener König aber trug eine Schambinde um die Lenden, welches nur noch ein stärkerer Anreiz zu seiner angebornen

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 328. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/354&oldid=- (Version vom 23.11.2023)