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Anonym: Edda

Skirnir.
25
Siehst du, Mädchen, das Schwert,   das scharfe, zaubernde,

Das ich halt in der Hand?
Seine Schneide   erschlägt den alten Riesen,
Fällt deinen Vater todt.

26
Mit der Zauberruthe   zwingen werd ich dich,

Maid, zu meinem Willen.
Dahin wirst du kommen,   wo Kinder der Menschen
Dich nicht mehr sollen sehen.

27
Auf des Aaren Felsen   in der Frühe sollst du sitzen,

Weg von der Welt gewandt zu Hel.
Speise sei dir widriger   als Wem auf Erden
Der menschenleide Midgardswurm.

28
Ein scheusliches Wunder   wirst du draußen,

Daß Hrimnir dich angafft,   dich Alles anstarrt.
Weitkunder wirst du   als der Wächter der Götter:
Gaffe denn hervor am Gitter.

29
Einsamkeit und Abscheu,   Zwang und Ungeduld

Mehren dir Trübsinn und Thränen.
Sitze nieder,   so sag ich dir
Des Leides schwellenden Strom,
Den zweischneidigen Schmerz.

30
Riegel sollen dich ängsten   all den Tag

Hier im Gehege der Joten.
Vor der Hrimthursen Hallen   sollst du den heilen Tag
Dich krümmen kostberaubt,
Dich krümmen kostverzweifelt.
Leid für Lust   wird dir zum Lohn,
Mit Thränen trägst du dein Unglück.

31
Mit dreiköpfigem Thursen   teilst du das Leben

Oder alterst unvermählt.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/105&oldid=- (Version vom 31.7.2018)