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Anonym: Edda

23
Das rath ich zum Andern,   keinen Eid zu schwören,

Der sich als wahr nicht bewährt.
Grimme Feßeln   folgen dem Meineid,
Unselig ist der Schwurbrecher.

24
Das rath ich zum dritten,   daß du beim Dingmahl nicht

Mit läppischen Leuten rechtest.
Ein unkluger Mann   kann oft doch sagen
Schlimmere Dinge denn er weiß.

25
Schlimm bleiben sie stäts,   denn schweigst du dazu,

So dünkst du blöde geboren,
Oder nicht mit Unrecht angeklagt.
Viel liegt am Leumund,
Drum gieb dir Müh um guten.
Laß andern Tags   sein Leben enden:
So lohne den Leuten die Lüge.

26
Das rath ich zum vierten,   wenn eine Vettel wo

Am Wege wohnt, der Schanden voll,
Beßer als bleiben   dabei ist fortgehn,
Übernähme dich auch die Nacht.

27
Muntrer Augen   braucht ein Menschensohn,

Wo es kommt zu heißem Kampf.
Am Wege sitzen   böse Weiber oft,
Die Schwert und Sinn betäuben.

28
Das rath ich dir fünftens,   wo du schöne Frauen

Sitzen siehst auf den Bänken,
Laß Weiberschönheit dir   den Schlaf nicht rauben,
Noch hoffe sie heimlich zu küssen.

29
Das rath ich dir sechstens,   wo Männer gesellig

Worte wechseln hin und her,
Trunken tadle nicht   tapfre Männer:
Manchem raubt der Wein den Witz.

30
Tobende Trunkenheit   hat Betrübniss schon

Manchem Manne gebracht,
Einigen Unheil,   Andern den Tod;
Vielfältig ist das Leiden.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/195&oldid=- (Version vom 31.7.2018)