Anonym: Edda | |
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65. Ein König, Högni genannt, hatte eine Tochter, mit Namen Hilde. Diese machte zur Kriegsgefangenen ein König Namens Hedin, Hiarrandis Sohn, während König Högni zur Königsversammlung geritten war. Als er nun hörte, daß in seinem Reiche geheert worden und seine Tochter fortgeführt sei, ritt er mit seinem Gefolge, Hedin aufzusuchen und hörte, daß er nordwärts längs der Küste gesegelt sei. Als er aber nach Norweg kam, vernahm er, Hedin habe sich westlich gewendet. Da segelte ihm Högni nach bis zu den Orkneyen, und als er nach Ha-ey kam, lag Hedin mit seinem Heere davor. Da ging Hilde ihren Vater aufzusuchen und bot ihm in Hedins Namen ein Halsband zum Vergleich; wenn er aber das nicht wolle, so sei Hedin zur Schlacht bereit und hätte Högni von ihm keine Schonung zu hoffen. Högni antwortete seiner Tochter hart und als sie Hedin traf, sagte sie ihm, daß Högni keinen Vergleich wolle und bat ihn, sich zum Streit zu rüsten. Und also thaten sie beide, gingen aus an das Eiland und ordneten ihr Heer. Da rief Hedin seinen Schwäher Högni an und bot ihm Vergleich und viel Gold zur Buße. Högni antwortete: Zu spät bietest du mir das, wenn du dich vergleichen willst, denn nun habe ich mein Schwert Dainslif gezogen, das von den Zwergen geschmiedet ist und eines Mannes Tod werden muß so oft es entblößt wird, und dessen Hieb immer trifft und Wunden schlägt, die niemals heilen. Da sprach Hedin: Du rühmst dich des Schwertes, aber noch nicht des Sieges. Ich nenne jedes Schwert gut, das seinem Herrn getreu ist. Da begannen sie die Schlacht, die Hiadningawig (Kampf der Hedninge) genannt wird, und stritten den ganzen Tag und am Abend fuhren die Könige wieder zu den Schiffen. In der Nacht aber ging Hilde zum Walplatz und weckte durch Zauberkunst die Todten alle, und den andern Tag gingen die Könige zum Schlachtfelde und kämpften, und so auch alle, die Tags zuvor gefallen waren. Also währte der Streit fort einen Tag nach dem andern, und alle die da fielen und alle Schwerter, die auf dem Walplatze lagen, und alle Schilde wurden zu Steinen. Aber sobald es tagte standen alle Todten wieder auf und kämpften und alle Waffen wurden wieder brauchbar. Und in den Liedern heißt es, die Hiadninge würden so fortfahren bis zur Götterdämmerung.
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 319. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/327&oldid=- (Version vom 31.7.2018)