Anonym: Edda | |
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6 führt Idun zuerst unter diesem Namen ein. Die vorwißende Göttin, nicht die vorwitzige, wie Uhland will, heißt Idun, weil das Abfallen des Blätterschmucks als ein Bedeutungsvolles aufgefaßt wird, über das sie späterhin selbst Auskunft geben soll. „Darin, daß sie von Yggdrasil herabsinkt,“ sagt Uhland, „fallen Bild und Gegenstand fast gänzlich zusammen.“
7. Hier ist Nörwis Tochter die Nacht; vielleicht hätten wir aber übersetzen sollen: bei der Verwandten Nörwis, wenn Hel die Unterwelt gemeint ist, wie Str. 11 anzudeuten scheint. Wenn sie aber nun in der Unterwelt weilen soll, wie Gerda, so ist sie wohl mehr die Triebkraft der Natur, die den grünen Laubschmuck hervorgebracht hat, als dieser selbst: diese Kraft hat sich nun in die Wurzel zurückgezogen; der Weltbaum ist entblättert, der Winter eingetreten.
8. Das Wolfsfell, das ihr die Götter geben, wißen wir nicht anders als auf den Reif und Schnee des Winters zu deuten, von dem bedeckt Stauden und Bäume von Neuem zu blühen scheinen.
Die nächsten Strophen 9–14 sind deutlich. Überhaupt scheinen die Schwierigkeiten gehoben. Odhin besendet die versunkene Idun selbst, um sie zu fragen ob das Ihr Widerfahrene der Welt und den Göttern Unheil bedeute. Die Boten sind Heimdal, Loki und Bragi. Warum gerade sie gewählt worden, hat Uhland, auf den ich hier verweise, genügend erklärt. Heimdal, der in Str. 14 der Vormann der Botschaft heißt, ist es auch, der Str. 11 das Wort führt. Aber die Sendung hat keinen Erfolg, Idun weint und schweigt Str. 12. 13, die Boten kehren unverrichteter Dinge heim, nur Bragi, den wir aus D. 26 als Iduns Gatten kennen, bleibt als ihr Wächter zurück. Vermuthlich wollte der Dichter damit ihre Vermählung einleiten. Im Naturgefühl des Altertums, sagt Uhland, ist die schöne grünende Jahreszeit auch die Zeit des Gesanges, des menschlichen, wie des Vogelsanges: darum bleibt Bragi jetzt auch unten bei Idun in ihrer Verbannung, der verstummte Gesang bei der hingewelkten Sommergrüne.
15–20. Noch weniger machen uns die Strophen zu schaffen, welche die Rückkehr der beiden Boten und das Gastmal der Asen beschreiben, bei welchem sie von der Erfolglosigkeit ihrer Werbung Bericht abstatten. Da vertröstet Odhin auf den andern Morgen, und fordert auf, die Nacht nicht ungenutzt verstreichen zu laßen, sondern auf neuen Rath zu sinnen. Diese Stelle kann aber nicht beweisen, daß uns das Gedicht nur zur Hälfte erhalten sei. Den Rath, welchen die Nacht bringen soll, die Befragung der Wöla, führt Odhin in der Wegtamskwida am andern Morgen selber aus. Nur eine Einzelnheit bleibt zu erläutern. Odhins Gesandte kehren von
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 374. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/382&oldid=- (Version vom 31.7.2018)