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Anonym: Edda

Besten ihrer Bewohner unermüdlich fördert und schützt, und darum mit den wilden Elementargewalten in beständigem Kampfe liegt.“ Wie dieser ihrer Natur zufolge beide Götter einander feindlich gegenüber treten können, indem Odhin, der Beleber alles Geistes, insbesondere den kriegerischen Geist anregt, welcher den Thors Obhut vertrauten Anbau wieder vernichtet, dieß soll unser Lied veranschaulichen, dessen Thema Uhland demnach mit den Worten ausspricht: „der Segen des Landbaus, verdrängt durch zerstörende Kriegsgewalt.“ Dieser Gegensatz, sagt er S. 93, ist gleichwohl kein innerer Widerspruch der nordischen Glaubenslehre, keine Spaltung religiöser Ansichten, er zeigt nur den nothwendigen äußern Zusammenstoß der verschiedenen, je unter Obhut eines dieser Götter gestellten Richtungen und Zustände des irdischen Daseins.

Da Uhland unser Lied einer vollständigen und genügenden Erläuterung gewürdigt hat, auf die wir verweisen können wie jetzt auch auf den Aufsatz von Lilienkrons (Zeitschr. X. 180 ff.), so beschränken wir uns auf wenige Bemerkungen, deren Zweck kein anderer sein kann, als den angedeuteten Grundgedanken noch stärker hervorzuheben. Wenn wir uns auch dabei zuweilen der Worte Uhlands bedienen, so geschieht es nicht ohne sie als sein Eigenthum anzudeuten.

Odhin bleibt, „damit der äußerliche Zwiespalt im Wesen beider Götter nicht in ihr Leben selbst eingreife,“ unter Namen und Gestalt des Fergen Harbard verhüllt. Diesen Namen kennen wir schon aus Grimnismal als einen der Beinamen Odhins, er möge nun den Heerschild bedeuten oder wie andere Namen Odhins seinen dichten Haar- und Bartwuchs bezeichnen. Alles was von Harbard ausgesagt wird, zeigt uns Odhin, „wie er überall in der nordischen Heldensage umgeht.“ Daß er, der stäts in menschlicher Verkleidung erscheint, dießmal die Gestalt eines Fährmanns angenommen hat, schließt sich daran, daß hier die Verschiedenheit im Wesen beider Asen durch einen Sund veranschaulicht wird, der ihre Gebiete trennt, wie in Wafthr.-Mal 16 der Fluß Ifing oder Ilfing die der Riesen und Götter. Der Fährmann steht aber im Dienste Hildolfs, dessen Name zunächst den furchtbaren dämonischen Kriegsmann bedeutet, hier wohl den Krieg selbst mit seinen Schrecken.

Thor bietet dem Fährmann, daß er ihn herüberhole, statt goldener Spangen wie Hagen dem Donaufergen, die Überbleibsel seines letzten ländlichen Mals, dessen Kärglichkeit zu seinem ärmlichen Aufzug stimmt, um dessentwillen Harbard spottet, er sehe nicht aus wie Einer, der drei gute Höfe besitze. Soll diese Armut bedeuten, daß der Landbau wohl seinen


Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 385. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/393&oldid=- (Version vom 18.8.2016)