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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

No. 13. 1856.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redakteur Ferdinand Stolle.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.

Johann Wittenborg und seine Tochter.
Geschichtliches Bild aus dem XIV. Jahrhundert.
(Schluß.)

Bertram lächelte höhnisch, da er Katharina in sein Haus treten sah, ging ihr höflich entgegen und sagte, ihre Hand ergreifend und küssend: „Ei, was verschafft mir denn die Ehre dieses holden Besuches?“

„Das braucht Ihr nicht erst zu fragen, Herr Bertram!“ antwortete sie, unter diesem Empfang zusammenzuckend. „Mein Vater ist hier und gefangen – Ihr habt Gewalt über ihn, seine Hüter gehorchen Euch –– laßt mich zu meinem Vater!“

„Das ist ein sehr kühnes Verlangen!“ sagte Bertram. „Euer Vater ist als Verräther am Bund der Hansa angeklagt und in Gewahrsam – er darf Niemanden sprechen –“

„Als Euch!“ fiel sie ihm in’s Wort, „und unmenschlich wäre es, ihm den Trost seines Kindes zu verweigern; ich will ihn nicht befreien, keine Mittel zu seiner Vertheidigung ihm angeben – weiß ich denn, wessen man ihn anklagt? Ich will nur als Tochter seine schweren Tage theilen! Sperrt mich mit ihm ein, laßt mich ihn pflegen und trösten!“

„Man hört, daß Ihr von den Dingen der bürgerlichen Gesetzgebung Nichts versteht,“ sagte Bertram hämisch, „es ist nicht Brauch, eine solche Erleichterung Staatsgefangenen zu gewähren; und außerdem,“ fuhr er fort, da Katharina eben wieder gegenreden wollte, „wäre es sehr unklug von Euch, Jungfrau Katharina, Euch mit ihm einsperren lassen zu wollen – Ihr würdet es nicht lange aushalten, und während Ihr frei etwas für ihn thun könnt, würdet Ihr Euch dies ja selbst unmöglich machen, wenn Ihr Euch gefangen gebt.“

Dieser letzte Grund ließ sie von dieser Bitte abstehen.

„O sagt mir, was kann ich für ihn thun?“ rief sie.

„Das wird sich wohl später finden,“ sagte er ausweichend.

Noch einmal, noch dringender bat sie, ihr das Wiedersehen mit ihrem Vater zu erwirken – sie sank sogar vor ihm auf die Knie nieder. Nie hatte er sie schöner gesehen, als in diesem Schmerze, dieser Demuth; er hatte sie lange nicht so nah gesehen, jetzt bemerkte er erst, welche Veränderung seitdem mit ihr vorgegangen. Der Liebe ihres Erich gewiß und in der Hoffnung, daß sie seit seiner Heldenlaufbahn ihm noch ganz vereinigt werden könne, hatten alle ihre Reize sich reicher und voller entfaltet, und die Siegesgewißheit der Liebe hatte ihrem Antlitz den Stempel der vollendet weiblichen Schönheit ausgedrückt. Bertram´s sinnliche Natur regte sich mehr und mehr – er hob Katharinen auf und sagte:

„Ich will sehen, ob es möglich ist, daß ich Euch morgen zu Eurem Vater führen kann – allein dürft Ihr ihn nicht sprechen und es wird schwer halten, daß Ihr von den andern Richtern und Magistratspersonen durch meine Verwendung diese Erlaubniß erhaltet – aber ich bringe damit Euch in meiner Stellung ein großes Opfer – welchen Dank habt Ihr dafür?“

„Den innigsten Dank eines gerührten Tochterherzens!“ sagte sie, vor seinen Blicken zitternd.

Er lächelte faunisch, legte seine Hand auf ihre Schulter und sagte: „Nun, Ihr werdet doch endlich dafür mir einen Kuß gönnen?“

Sie trat schaudernd zurück und sagte tonlos: „Führt mich zu meinem Vater – Ihr verspracht´s – kein Dienst findet seinen Lohn, bevor er nicht ausgeführt ist.“

Er biß sich in die Lippen und entließ sie ohne weitere Entgegnung.

Als sie fort war, ging er aufgeregt in seinem Zimmer auf und nieder. „Jetzt läuft sie mir selbst in’s Garn!“ rief er, „wie schön sie ist! – Was soll ich thun? Versuche ich’s, Wittenborg zu retten, erwerbe ich mir seine Freundschaft, den Dank der Tochter – dann darf sie sich nicht mehr weigern, mein Weib zu werden! Aber die Tochter eines abgesetzten Bürgermeisters? – Nein, nimmermehr! Und käme es nicht zur Absetzung – so entginge mir sein Amt. Das geht auch nicht. Wittenborg muß schuldig sein – ich werde meine Maßregeln darnach ergreifen.“


IV.

Katharina durfte ihren Vater wiedersehen. Wie ward ihr, da sie seinen Kerker betrat! Eine elende Zelle war’s, in der jedes Geräthe mangelte, einen Strohsack und eine hölzerne Bank abgerechnet, auf welcher der Gefangene saß. Wie war er verändert! Die stolze Gestalt mit der majestätischen Haltung war gebeugt und zusammengesunken, das sonst so frische Antlitz war bleich und runzelig, der Glanz seiner Augen halb erloschen. An äußeres Wohlleben gewöhnt, hatte die Entbehrung desselben ihn schnell gealtert – noch mehr dieser Sturz von seiner Höhe, diese Beraubung seiner Würde, dies Bewußtsein, sein Unglück, wenn nicht verdient, so doch verschuldet zu haben.

An Bertram´s Seite trat die Tochter bei ihm ein und umarmte ihn unter Thränen. Auch der Gefangene konnte zum Erstenmale weinen, da er sein Kind wieder sah. Gerührt streckte er Bertram die Hand entgegen und rief:

„Daran erkenn’ ich Eure Treue! Ihr haltet in dieser Prüfung bei uns aus – wenn sie überstanden, wird Euch Katharina

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_165.jpg&oldid=- (Version vom 9.5.2017)