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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Die Mondoberfläche.[1]

Publicum gedrungen, allein meist waren es nur Phantasien, und wollten auch nichts Anderes sein, als blose „Träume.“ Diese kann sich aber Jeder selbst bilden, sobald es eben erlaubt ist, willkürlich zu fingiren und auszuschmücken. Ganz anders ist es dagegen, wenn man „nur Wahrheit, nur Thatsachen“ zu wissen verlangt. Wie schwierig dann die Fragen zu lösen sind, brauche ich nicht erst nachzuweisen. Die Meisten werden sogar bezweifeln, daß unter dieser Bedingung jemals auf diese Fragen genügend geantwortet werden könne. Der Wissenschaft ist es indeß wirklich gelungen, ein treues und ziemlich vollständiges Bild der Mondnatur zu entwerfen, und wenn auch mancher der verehrlichen Leser Vereinzeltes über den Mond gehört hat, so dürfte es für ihn vom höchsten Interesse sein zu erfahren, welches der neueste wissenschaftliche Standpunkt sei, auf dem unsere Kenntniß vom Monde angekommen ist. Folgende Schilderung hat den Zweck, diesem fühlbaren Mangel in unserer populären Literatur abzuhelfen.

Um dem verehrlichen Leser ein recht anschauliches Bild von jener fremden Welt vorzuführen, wählte ich, wie die Ueberschrift sagt, die Form einer Reisebeschreibung. Allein jenem umfassenderen Zwecke gemäß strebte ich die Natur des ganzen Mondes zu schildern, indem ich das Allgemeine an das Specielle anzuknüpfen suchte. Ich habe die ganze Schilderung in vier Abtheilungen gruppirt, von denen die erste „das Verhältniß des Mondes zur Erde“ behandelt, weil hierüber die meisten Ansichten

  1. Da der erste Theil im Allgemeinen über den Mond handelt, so füge ich hier eine Abbildung der Mondfläche bei, wie sie, durch die Instrumente einer Sternwarte betrachtet, beim ersten Anblick sich darbietet. Der sinnige Leser möge dies Bild, das offenbar den Charakter einer fremden Welt tragt, aufmerksam betrachten und zur Erhöhung des Interesses es zu deuten selbst versuchen. Im Laufe meiner folgenden Schilderung wird er erfahren, was bis jetzt die Wissenschaft daraus entzifferte. Deshalb sei vorläufig erwähnt, daß die helleren, also von der Sonne mehr beschienenen Partien sicher Erhebungen der Mondoberfläche und das die dunkleren Theile tiefer gelegene Mondflächen sind. Von jenen hat die Wissenschaft einzelne Gebirge (die in der Abbildung mit Zahlen bezeichnet wurden) unterschieden und mit folgenden Namen benannt:
    1. mit dem Namen Apenninengebirge, – 2. Kaukasus, – 3. Alpen, – 4. Taurus, – 5. Hämus, – 6. Altai, – 7. Cordilleren. – S. Riphäen-Gebirge, – 9. Karpathen, – 10. Hercynisches Gebirge.
    Die Namen der in der Abbildung mit Buchstaben bezeichneten dunkleren Stellen sind:
    A. mare crisium (d. h. Meer der Krankheitswechsel), – B. mare foecunditatis (d. h. Meer der Fruchtbarkeit), – C. mare nectaris (d. h. Meer des Göttertrankes), – D. mare tranquillitatis (d. h. Meer der Stille), – E. mare serenitatis (d. h. Meer der Heiterkeit), – F. lacus somniorum (d. h. See der Träume), – G. lacus mortis (d. b. See des Todes), – H. palus somnii (d. h. Sumpf des Traumes), – J. mare frigoris (d. h. Meer der Kälte), – K. mare vaporum (d. h. Meer der Dämpfe), – L. sinus medii (d. h. Busen der Mitte), – M. mare nubium (d. h. Meer der Wolken), – N. mare humorum (d. h. Meer der Feuchtigkeiten), – O. sinus epidemiarum (d. h. Busen der epidemischen Krankheiten), – P. oceanus procellarum (d. h. Ocean der Stürme), – Q. mare imbrium (d. h. Meer der Platzregen), – R. sinus iridum (d. h. Busen der Regenbogen), – S. sinus roris (d. h, Busen des Thau’s) und neuerdings wurde benannt – T. mare Humboldtianum.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_245.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)