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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

ein Naturstudium, das vor lauter Freuden, die es bietet, aufhört, eine Anstrengung zu sein.

Im Allgemeinen weiß zwar Jeder, daß Gewürm, Raupen und Schmetterlinge nicht mehr gehext und gezaubert werden, sondern ganz natürlich aus ordentlich gelegten und ausgebrüteten Eiern auskriechen, furchtbar fressen, dann den Appetit verlieren, sich in Selbstvergessenheit zurückziehen, erstarren und scheintodt hängen bleiben, bis ihnen die Sonne den Pelz sprengt und bunte Schmetterlinge daraus hervorflattern. Aber wie hängen Larven, Raupen und Schmetterlinge zusammen? Wie sah dieser und jener Tages-, Nacht- und Dämmerungsfalter als Raupe aus? Wie wird die Chrysalide als Schmetterling aussehen? Zur Beobachtung und Sicherung der Identitäten der verschiedenen Gattungen und Arten in ihren verschiedenen Wandelungen gibt es nichts Besseres und Anmuthigeres als ein solches Insecten-Vivarium im Zimmer. Daß man es außerdem mit den schönsten Wasser- und Sumpfpflanzen, Käfern und unzähligen kleinen Geschöpfchen, die in, auf und an dem Wasser leben, bevölkern kann, versteht sich von selbst. Ueberhaupt liegt hier die Combination eines Treibhauses für Sumpf- und Wasserpflanzen, die viel schöner sind, als man im Allgemeinen glaubt, eines Süßwasser- und Insecten-Aquariums und Vivariums sehr nahe. Es gibt Engländer, die oben noch Aviarien oder Vögel-Asyle angebracht haben, so daß man Alles, was die Natur im Kleinen Schönes, Interessantes und Wunderbares bietet, in einem solchen lebendigen Naturalien-Cabinet-Krystall-Palaste am Fenster vereinigen kann.

Was das Glashaus für die Insecten betrifft, so kann man natürlich damit den größten Luxus treiben und es aus großen Spiegelscheiben kostbar und prächtig formen und fügen lassen. Aber auch kleine gewöhnliche Fensterscheiben, wenn nur unten gehörig wasserdicht gefügt und mit Löchern für Abzapfung abgestandenen Wassers versehen und oben für gute Ventilation eingerichtet, thun ihre Dienste, so daß man im Wesentlichen für ein paar Thaler dieselben Freuden und Genüsse ermöglichen kann, wofür ein Anderer doppelt so viel Fünfthalerscheine oder Louisd’or ausgegeben haben mag. Die Humphreys’schen Insecten-Vivarien sind bis jetzt in drei Größen vorräthig: drei Fuß lang, zwei Fuß sechs Zoll hoch und ein Fuß sechs Zoll breit – von Spiegelglasscheiben à vier Pfund; zwei Fuß sechs Zoll lang, zwei Fuß hoch und ein Fuß vier Zoll breit à drei Pfund zehn Schillinge, und zwei Fuß zwei Zoll lang, zwei Fuß hoch und ein Fuß vier Zoll breit à drei Pfund. Dies sollen die passendsten Größen sein. Kleinere Räume beengen die Bewohner und gewähren nicht genug Luft und Bewegungs-Terrain. Gewöhnliche und aus kleineren Scheiben zusammengesetzte Glaswände erlauben natürlich schon für einige Thaler ein Haus für die kriechende und fliegende Entomologie und die dazu gehörige Vegetation.

Was für Pflanzen und Käfer und Raupen und Schmetterlinge u. s. w. am Besten zusammenpassen, was hier nöthig, nützlich, schädllch ist oder im Interesse der Schönheit erlaubt oder wünschenswerth sein mag, über diese Einzelnheiten des Insecten-Vivariums sprechen wir wohl später und geben noch einige erläuternde Illustrationen. Einstweilen bemerken wir nur, daß der berühmte englische Entomolog Noel Humphreys ein prächtig illustrirtes Werk über das Insecten-Vivarium erscheinen ließ,[1] das von William Lay in King-Williamstreet, London, für sieben Schillinge sechs Pence bezogen werden kann.




Fulminanti.[2]
Aus der Mappe eines österreichischen Officiers.

„Fulminanti! Fulminanti! Wer will kaufen?!“ hörte ich mit einem markdurchdringenden Tone rufen.

Ich wandte mich sogleich nach der Gegend, aus welcher der Ruf kam, konnte aber den Rufer selbst nicht entdecken, eine dichte Menschenmenge, vor dem Palais des Grafen L. zusammengedrängt, versperrte mir die Aussicht in der Straße.

Es war in Padua im Jahre 1849 in einer der Hauptpassagen. Ich vermuthete eine Arretirung, die damals nicht zu den Seltenheiten gehörte, oder einen Unglücksfall und trat näher. Nochmals hörte ich dieselbe Stimme rufen:

„Fulminanti, Fulminanti, Herr Graf!“

Ich brach mir Bahn durch die Menge, was mir nicht sehr schwer ward, da ich Uniform trug. In der Mitte derselben erkannte ich den Grafen L., der eben seine ohnmächtig gewordene Tochter aufhob und Anstalten machte, sie in das Palais transportiren zu lassen.

„Fulminanti! Fulminanti!“ tönte es wieder.

Der Graf erhob den Kopf und blickte wüthend umher, dabei fiel sein Haß sprühendes Auge auf mich; er erkannte mich sogleich, übergab seine Tochter der herbeigeeilten Dienerschaft und schritt auf mich zu. Ich hatte in einem Café nur oberflächlich seine Bekanntschaft gemacht.

„Herr Lieutenant,“ sprach er mich mit zitternder Stimme an, „Herr Lieutenant, ich ersuche Sie, den Mann, der hier seine Zündhölzchen zum Verkauf ausruft, sogleich zu verhaften. Es ist ein höchst gefährliches Individuum.“

„Herr Graf, wie kann ich –“ wollte ich entgegnen, aber er ließ mich den Satz nicht vollenden und fuhr fort:

„Die Verantwortung fällt auf Sie, Herr Lieutenant. Ich habe Sie aufmerksam gemacht – verhaften Sie ihn; in einer halben Stunde bin ich bei Ihnen und werde Ihnen die Gründe meiner Denunciation bringen.“

Ich wollte noch Einwendungen machen, allein der Graf hatte mich schon verlassen und war in sein Palais geeilt.

„Fulminanti, Fulminanti, Herr Graf!“ rief es wieder. „Fulminanti, Herr Graf!“ wiederholte jetzt die Menge im Chore.

Ich suchte nun zu dem Ausrufer zu gelangen; endlich hatte ich ihn erreicht. Ich faßte ihn am Arme, um ihn wegen Störung der Ruhe zur Rechenschaft zu ziehen, wie groß war meine Ueberraschung, als ich in ihm meinen Schulcameraden Giorgio, den Bruder des Grafen L., erblickte!

Auch er hatte mich sogleich wieder erkannt, wußte aber nicht, wie ich aus seinen Mienen lesen konnte, ob er die Bekanntschaft erneuern sollte.

„Giorgio, Du in Padua?“ sprach ich ihn an.

„Seit Kurzem!“ antwortete er, mit seinem Entschlusse noch nicht einig.

„Und was machst Du hier?“ fragte ich weiter.

„Ich verkaufe Zündhölzchen – mit Schwefel!“ entgegnete er ruhig.

„Wir sind doch nicht im Carneval,“ fuhr ich lächelnd fort, „wozu diese Maskerade?“

„Ich bin nicht maskirt; Du hättest mich, wenn ich es wäre, gewiß nicht erkannt,“ entgegnete er.

Da sich bereits Neugierige um uns versammelt hatten, bat ich ihn, mir in meine Wohnung zu folgen.

„Ist das ein Befehl oder eine Einladung von Dir?“ frug er, setzte aber dann schnell hinzu: „es bleibt sich gleich, ich folge Dir!“

In meiner Wohnung ließ ich eine Flasche Wein bringen und ersuchte ihn um Aufklärung über die Scene in der Straße vor dem Palais seines Bruders und über ihn selbst.

„Das heißt, Du willst Dir eine Geschichte von mir erzählen lassen?“ sagte er, das Glas leerend.

„Und zwar eine sehr interessante, wie ich vermuthe,“ bejahte ich.

„Das Beste an dieser Geschichte wird für Dich jedenfalls deren Kürze sein. Du sollst sie hören; ich wünschte, die ganze Welt wollte sie hören.“

Bei diesen Worten nahmen seine Züge einen unheimlichen Ausdruck an, er stierte mehrere Minuten lang auf den Fußboden, fuhr dann mit der seinen weißen Hand, die seltsam mit seiner Kleidung contrastirte, über seine Augen, wie um ein Bild, das sich in denselben entschleierte, zu verwischen, und begann mit sicherem, aber sarkastischem Tone:

  1. „The Butterfly-Vivarium or Insect Home“ etc.
  2. Zündhölzchen.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 326. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_326.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)