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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Die Hamburger Milchleute.

Hamburger Milchleute im Eis.

Der Bewohner einer großen Stadt, dem alle Lebensbedürfnisse in’s Haus gebracht werden, denkt selten daran, welche Anstrengungen und Mühseligkeiten die Herbeischaffung eines Gegenstandes verursacht, dessen Dasein, da er regelmäßig vorhanden ist, gar nicht beachtet wird, dessen Wichtigkeit oder Annehmlichkeit aber dann an den Tag kommt, wenn er uns einmal fehlt.

Wer Morgens seinen Kaffee mit gutem Rahm vermischt zu trinken gewöhnt ist, würde sich sehr unangenehm betroffen fühlen, wenn der Letztere einmal ausbliebe und er seinen Mokka schwarz hinunterschlucken müßte. Damit nun ein solches Unglück möglichst verhindert werde und die Hausfrauen ihre sonst nöthige Milch regelmäßig erhalten, sind Hunderte und Tausende von Leuten rings um die Städte beschäftigt, dieses Nahrungsmittel zu produciren und unter allen Umständen nach der Stadt zu schaffen.

Von allen Milchleuten, welche in Deutschland existiren, haben nun wohl die auf den Hamburgischen und Hannoverschen Inseln wohnenden den abenteuerlichsten und gefährlichsten Weg nach der Stadt zu machen, und müssen oft Leib und Leben daran setzen, um ihre Kunden zu bedienen; – dafür sind sie aber auch ein kräftiges, wetterhartes, lebenslustiges Völkchen, dem es endlich zur Gewohnheit wird, sich mit den Elementen herumzubalgen und sich jeden Tag das Leben zu gewinnen.

Im Sommer, wenn Luft und Wasser warm und ruhig sind und der Wind gerade stark genug bläst, um die rothen Segel zu füllen und das Fahrzeug vorwärts zu treiben, dann haben die Hamburger Milchleute wohl viel vor allen Anderen auf ihrer vergnügten Fahrt voraus. Die flachbodigen, vorn und hinten spitzen Ewer mit ihrem starken hohen Maste liegen ruhig am Ufer der heimathlichen Elbinsel. Von allen Seiten kommen Männer und Weiber mit den stets roth angemalten Milcheimern, in denen der weiße Inhalt glänzt, an Bord und setzen sich inmitten des Fahrzeuges zu ihren Gefäßen, und zwar so, daß sie die Männer bei der Handhabung desselben nicht geniren. Der mit allen Flußströmungen und irgendwie eintretenden günstigen oder ungünstigen Wetterzufällen vertraute Steuermann nimmt seinen Platz ein und die Segel werden, wenn der Wind nur im geringsten zu gebrauchen ist, aufgezogen. Ist gänzliche Windstille und der Fluth- oder Ebbestrom der Fahrt günstig, so werden zwei lange Ruder in Thätigkeit gesetzt, an deren jedem drei bis vier Mann arbeiten, damit sich das Fahrzeug steuern läßt. Ist indeß weder Wind noch Wasser der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 745. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_745.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)