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verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Theilen aus mehr mit den Schalen als mit Perlen ein beträchtlicher Handel getrieben. Möbius zählt weiter in seinem, im vorigen Artikel erwähnten Buche eine große Menge Plätze des großen Oceans auf, aus denen hervorgeht, daß man diesen mit demselben Recht ein großes Perlenmeer nennen kann. Cook fand Perlenmuscheln an der Ostküste von Neuholland. Auf beiden Seiten Amerika’s werden jetzt an vielen Orten große Mengen von Perlenmuscheln gefischt. Doch sind die Fischereien der Inseln Margarita und Cubagua, im caraibischen Meere, wo Columbus am 15. Aug. 1498 die gesuchten Perlenschätze fand, in neuerer Zeit vernachlässigt, obgleich die hier gefischten alle anderen amerikanischen Pcrlen an Größe und schöner Form übertreffen haben sollen. In Florida fand Hernando de Soto Unmassen von Perlen vor, welche aus den Gewässern der Bahamastraße stammten.

Es wurde schon früher gesagt, daß die Perlen des Meeres von verschiedenen Muschelarten und zwar meist aus der Gattung Avicula herstammen. Die ceylonische Perlenmuschel ist nur 2–2½ Zoll breit und 2½–3 Zoll hoch, sie ist also nicht die, welche uns die großen, bis ein Pfund schweren Schalen liefert, welche letztere meist über Manila von den Sulu-Inseln kommen. Jene soll die Avicula radiata und ihr dünnes Perlmutter werthlos sein. Uebrigens liegt die Naturgeschichte der See-Perlenmuscheln noch sehr im Argen.

Die Perlenfischerei ist oft genug beschrieben worden und zwar nicht selten auf Kosten der Lunge der Taucher, welchen man mehr, als billig ist, dabei zumuthete. Selten vermag ein Taucher länger als eine Minute, ohne Athem zu schöpfen, unter dem Wasser zu bleiben, ja die meisten eilen schon nach 53–57 Secunden wieder an das lebenspendende Element, obgleich auch Fälle von größerer Tauchfertigkeit vorkommen. Die Leichtgläubigkeit für übertriebene Angaben über die Zeit des Tauchens hat ihren Grund in der merkwürdigen Ungeübtheit der Meisten in der Schätzung kleiner Zeitmaße, die man fast immer überschätzen hört. Eine halbe Minute, nach einer Secundenuhr genau gemessen, nicht Athem zu schöpfen, ist für Viele schon eine große Anstrengung.

Im Jahre 1833 waren 125 Boote mit je 10 Tauchern, die sich zu 5 ablösten, also mit zusammen 1250 Tauchern in der Meerenge von Ceylon beschäftigt. Nach einer Durchschnittsannahme berechnet Möbius, daß 150 Boote in 20 Tagen dem Meeresgrunde 60 Millionen Muscheln entreißen, wobei jeder Taucher durchschnittlich 40–50 Mal täglich hinunterfährt und 1000–4000 Muscheln heraufschafft, nachdem er die Byssusfäden zerrissen hat, mit denen die Muscheln am Meeresgrunde festsitzen. Es ist also bei den zahlreichen Fischereistellen im Occan die Zahl der jährlich erbeuteten Muscheln gewiß ungeheuer groß und man kann es glauben, daß ganze Muschelbänke dadurch erschöpft werden können, wenn man die Fischerei unausgesetzt betreibt. Jedoch länger als 6–7 Jahr die Bänke ruhen zu lassen, soll wenigstens in den ceylonischen Gewässern mit Verlust verbunden sein, indem man dann viel todte Schalen findet. Man schließt daraus, daß die Muscheln nicht länger leben, was im Vergleich zu den Süßwasser-Perlenmuscheln eine sehr kurze Lebensdauer sein würde. Man findet die werthvollsten Perlen in einer Tiefe von 3–15 Faden auf Korallenriffen. Doch sind die Perlen des persischen Meerbusens höher geschätzt, weil sie härter als die von Ceylon und daher dauerhafter sind.

Es mag ein abenteuerliches Schauspiel sein, wenn auf das Signal des Regierungsschiffes dort im März, und April von allen Seiten die Taucher mit ihren Booten und gewinnsüchtige Speculanten zu vielen Tausenden zusammenströmen und sich dann für kurze Zeit unter dem glühenden Sonnenstrahl auf dem unwirthbaren Küstensande, der oft nicht einmal Trinkwasser bietet, eine umfangreiche Stadt aus Hütten und Zelten erhebt. Unter den flüchtigen Ansiedlern sind alle Classen vertreten, Jongleurs und Tänzerinnen, Priester und vor allen Haifischbeschwörer, denen für ihre schützenden Zauberformeln ein Theil der Beute zufällt.

Daß die Flußperlenmuscheln nicht minder verbreitet sind, wurde bereits erwähnt; und wie von denen des Meeres muß man auch von diesen sagen, daß ihre Naturgeschichte noch sehr lückenhaft ist, und man namentlich die die Perlen liefernden Arten Asiens und Amerika’s nicht vollständig kennt. In Europa ist es fast nur die schon mehrmals genannte Art, Unio margaritifer.[1] Sie lebt in dem hellen Wasser der Gebirgsbäche an solchen Stellen, wo diese einige Fuß Tiefe haben und nicht zu schnell fließen. Dabei scheinen sie sich am liebsten an solchen Stellen aufzuhalten, welche einen kiesigen oder wenigstens grobsandigen Boden haben. An solchen Stellen stecken sie oft zu vielen Hunderten dicht neben einander im Boden, ohne ihren Platz zu verlassen, während sie in sandigem Grunde lebendiger herumkriechen. In Deutschland ist diese Muschel als Perlenerzeugerin wohl am längsten aus der Elster und einigen Bächen des sächsischen Voigtlandes bekannt. Sie findet sich aber auch an sehr vielen andern Orten der nördlichen Hälfte von Deutschland; scheint dagegen im Süden zu fehlen. Das gleiche Verhältniß scheint in Frankreich stattzufinden, während sie jedoch Graëlls in Arragonien angibt, dessen Bergnatur und Wasserreichthum dem Vorkommen der Muschel allerdings günstig ist. Außerordentlich verbreitet ist die Flußperlenmuschel in Nordeuropa, wo sie selbst in den kältesten Lagen gedeiht. An einigen Orten, z. B. im sächsischen Voigtlande, wird die Perlenfischerei als Regale betrieben, was freilich nirgends viel abwirft. In dem liefländischen Bache Waidau wurden sonst viel Perlen gefunden, welche die Bauern um ein billiges Geld an die Juden verkauften, einen Holzlöffel voll für einen Silberrubel. Auch im eigentlichen Rußland werden Flußperlen gefunden, namentlich in den Gouvernements Nowgorod, Twer und Pskoff. Nächst Sachsen scheint Norwegen und Nordirland besonders reich an schönen Flußperlen zu sein. Wo die Flußperlenfischerei systematisch betrieben wird, sind die Perlenbäche in Bezirke eingetheilt, welche in längeren Zwischenräumen abgesucht werden. Dabei werden die Muscheln nicht getödtet, sondern mit einem meißelartigen Werkzeug etwas geöffnet und nach Perlen untersucht. Solche, in denen man eine sogenannte unreife Perle findet, werden äußerlich mit einem Zeichen versehen und wieder in das Wasser geworfen. 1832 sagte mir ein Beamter der sächsischen Perlenfischerei, daß man (damals) noch lebende Muscheln mit Zeichen aus dem vorigen Jahrhundert finde. Dies ist meines Wissens der einzige Fall, daß wir eine zuverlässige Kunde über die lange Lebensdauer der Muscheln besitzen. Sonst kann man nur aus der Dicke der Schale hierüber Schlüsse machen.

Meist oder wenigstens sehr oft sind die perlenführenden Flußmuscheln an ihrer etwas unregelmäßigen Gestalt schon äußerlich als solche zu erkennen, obgleich der umgekehrte Fall kein sicheres Zeichen von Abwesenheit einer Perle ist. Die Bezeichnung „unreif“ bezieht sich ohne Zweifel lediglich darauf, daß die Perle im Mantel des Thieres sich nicht in dem Bereiche der Absonderung des reinen Perlenmutterstoffes, sondern in dem des Säulenstoffes und des Oberhautstoffes befindet, und eine solche Perle kann nicht eher reif, d. h. nicht eher schön perlmutterglänzend werden, als bis sie in eine dazu geeignete Lage kommt. Es käme also darauf an, ob es gelänge, daß sie von dem Rande des Mantels, wo jene Stoffe ausgeschieden werden, mehr nach hinten zu gedrückt werden könnte. Es scheint aber gerade bei der Flußperlenmuschel häufiger als bei den Seemuscheln jede beliebige Stelle des Mantels Oberhautstoff ausscheiden zu können, denn man findet selten ein Exemplar, welches nicht inwendig olivengrüne wolkenförmige Flecken zeigte.

Was den Handel betrifft, so beginnt er bei den Meerperlen meist schon an der Meeresküste, unmittelbar nachdem die Muscheln herausgebracht sind; und zwar beginnt er mit einer Art Lotteriespiel, indem die in Haufen getheilten Muscheln noch ungeöffnet verkauft werden. Ein solcher kann lauter Nieten, er kann aber auch einen oder einige große Treffer enthalten. Meist enthält eine Muschel, wenn sie überhaupt perlenhaltig ist, nur eine Perle, es kommen aber auch zuweilen mehrere darin vor, ja man fand einmal 87 gute Perlen in einer Muschel. Meist läßt man auf einer festen, etwas geneigten Stelle des Bodens die Muschelthiere faulen, was bei der großen Sonnenhitze in wenigen Tagen erfolgt. Dann wird der stinkende Brei in Holztrögen mit Wasser ausgewaschen, wobei die Perlen zu Boden sinken, um dann durch gewöhnlich neun verschiedene Siebe in eben so viele Größengrade sortirt werden. Die Schalen der leeren Muscheln sind dann doch wenigstens ein etwas besserer Trost, als das Papier durchgefallener Lotterieloose. Sie sind in neuerer Zeit, weil Perlmutterzierrathen jetzt besonders beliebt sind, sehr im Preise gestiegen. In den Jahren 1848–1856 kamen von den Sulu-Jnseln 827,300 engl. Pfund nach Europa, deren Preis gegen sonst von 8 Dollar auf 28 Dollar

für das Pecul (gleich 140 engl. Pfd.) gestiegen war. In den

  1. Nicht margaritifera, denn Plinius braucht das Wort unio in der Bedeutung einer großen Perle als Masculinum. Geläufiger ist es uns freilich als Femininum in der Bedeutung: Vereinigung.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1859, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_168.jpg&oldid=- (Version vom 21.3.2023)