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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

und nur bergab oder im Ebenen zu wandern. Alle Jahre erleben wir in unsern vielbesuchten Felsengegenden, daß Leute aus der Ebene von dem ungewohnten steilen Klettern Bluthusten und üble Nachkrankheiten davon tragen.

In Alpengegenden ist dem nicht Einheimischen doppelte und dreifache Vorsicht nöthig. Man wage sich in die Alpengebirge nicht ohne Führer oder Träger, nicht ohne das Wetter vorher richtig abzupassen und Sachkundige vorher darüber zu befragen; denn Regen, Schnee, Nebel, Sturm bringen dort dem Ungeübten die schwersten Gefährdungen für Gesundheit und Leben. Man entschlage sich als Gesundheitsreisender völlig der den Kraftmenschen so anlockenden Liebhaberei, hohe vergletscherte und in den ewigen Schnee reichende Alpenpässe zu überklettern, um auf ungewöhnlichen Wegen in neue Thäler zu gelangen; man kehre lieber am Ende des Thales, wo das Schöne aufhört und die kahle, steinige Wildniß beginnt, wieder um und genieße das Thal abwärts noch einmal. Gletscherbesteigungen gehören kaum in das Gebiet der Gesundheitsreisen.

Die Kleidung muß bei Bergreisen auf eine möglicherweise sehr empfindliche Kälte berechnet sein. (Am Gurgl-Gletscher im Oelzthal hatten wir Mitte August nach anhaltend drückender Hitze plötzlich einen Tag lang + 4 Grad R. und am andern Morgen beim Ausmarsch + 2 Grad R.) Man führe also außer dem leichten Sommerüberzieher (Twine) einen dickeren Plaid oder Paletot und ein Paar Wollstrümpfe bei sich. Sehr empfehlenswerth ist die Mitnahme eines feinen (Mailänder) seidenen, gewirkten Unterziehjäckchens, welches zusammengerollt in einer Rocktasche getragen werden kann. Die Wanderschuhe müssen doppelsohlig und die Sohlen mit Leinölfirniß getränkt sein, vor Allem aber gut sitzen; man muß sie längst vor der Reise probirt und ausgetreten haben. Ein übelsitzender oder enger Schuh kann eine ganze Reise verderben! – Ein seidener Regenschirm mit festem, aber zähem Stab (aus starkem Washington-Rohr) dient gegen Regen und Sonne und ersetzt jeden Wander- und Alpenstock. (Mit letzterem namentlich gerathen Ungeübte nur in Gefahr, weil sie ihn gewiß im Augenblick der Noth gerade verkehrt gebrauchen!) – An der Uhrkette trage man einen kleinen Reise-Compaß (überall für ein paar Groschen zu haben), mit dessen Hülfe man sich in der Gegend, wie im Reisehandbuch und auf den Specialkarten zurecht findet. Von letzteren sollte der Fußwanderer immer die besten und neuesten bei sich führen!

Von ärztlichen Hülfsmitteln muß der Gesundheitsreisende etwa Folgendes bei sich führen: Ein kleines chirurgisches Besteck, in jeder Brieftasche anzubringen, enthaltend Scheere, Federmesser, Aderlaßlanzette, Pincette (Zängelchen, z. B. um Splitter auszuziehen), Heftpflaster (möglichst dünngestrichen, zwischen Wachspapier verwahrt), englisches Pflaster, Nähnadeln und Zwirn (ohnehin wegen etwaiger Kleidungsbeschädigungen unentbehrlich), krumme Wundnadeln. In einem kleinen (vielleicht Unzen-) Fläschchen trage man ein geistiges Getränk, wie Rum, Boonekamp, Kirschwasser etc. bei sich; theils gegen anwandelnde Schwäche, theils um damit das Trinkwasser zu verbessern. Wenn man in die Berge hineinwandert, muß man außerdem noch etwas Eßwaare: Semmel, ein Würstchen, eine Tafel Chocolade etc. bei sich führen; denn man kann plötzlich von Nebel, Regen und Schnee an Stellen befallen und stundenlang festgebannt werden, wo man nichts zu essen findet und doch nicht wagen darf, weiter zu gehen. – Gegen Durchfall und Kolik, als die zwei häufigsten Reisekrankheiten, führe man nicht bloß eine Bauchbinde bei sich, sondern auch ein paar Opiumpulver (aus einem halben Gran Opium und sechs bis acht Gran Zucker, auch wohl mit einem halben Gran Ipecacuanha gemischt als sogenannte Dover’sche Pulver). Ein ganz kleines Fläschchen mit Chamillen-Tinctur dient bei gleichen Zufällen, sowie bei frischen Erkältungen überhaupt; ferner zur Theebereitung, indem man ein paar Tropfen in eine Tasse träufelt und dann heißes Wasser darauf gießt. Wer nach Bädeker’s Rath Arnicatinctur bei sich führt (welche ich nicht für Laien empfehlen möchte), kann aus dieser auf ähnliche Weise schweißtreibenden Thee bereiten.

Bei Blasen an den Füßen schneide ich am liebsten die ganze losgelöste Oberhaut ringsum ab und lege auf die rothe Wundfläche das dünngestrichene Heftpflaster. Wenn diese Procedur auch im ersten Augenblick schmerzhaftes Brennen macht, so bewirkt sie doch hinterher um so mehr Schutz, Ruhe und Heilung. Wenn das Heftpflaster zu sehr reizen sollte, so nehme man statt dessen Bleiweißpflaster, ebenfalls ganz dünn auf Leinwand gestrichen. Ueber dieses Letztere kann man alsdann noch Heftpflaster kleben. – Man verhütet dieses Wundgehen dadurch, daß man richtig gebaute Schuhe trägt (s. u.), in den Strümpfen keine Falten duldet, die glatte Seite derselben nach inwendig kehrt (auch wohl durch Abreiben mittels trockner Seife noch glatter macht), und daß man allabendlich die Füße mit Branntwein abwäscht.

Gegen wundmachende Fußschweiße (besonders zwischen den Zehen bei vielen Leuten entstehend) ist das beste Mittel, vorher sämmtliche Strümpfe an der entsprechenden Stelle (also gewöhnlich an der die Zehen aufnehmenden Spitze) in eine Lösung von Weinsteinsäure (etwa 4 Loth auf eine Kannenflasche Wasser) einzutauchen und dann wieder trocknen und plätten zu lassen. Der Schweiß nämlich, besonders wo er stockt (z. B. in den Schuhen und Achseln) erleidet eine rasche, faulige Zersetzung, welche das so übelriechende und die Haut anätzende Ammoniak erzeugt. Dieses aber wird von der trockenen Weinsteinsäure sofort angezogen und zu einem milden, geruchlosen Salze gebunden.

Gegen das Einwachsen der Nägel muß man schon vor der Reise sorgen, indem man dieselben (gewöhnlich die der großen Zehe) in der Mitte längshin (bei a a) mittels eines Glasbruchstückchens dünn schabt und die Ecken am freien Rande des Nagels (b b) so verschneidet, daß sie vor der etwas ausgebogten Mitte desselben hervorstehen. Durch diese beiden Proceduren legt sich der Nagel bei jedem Auftreten der Fußspitze ganz flach und kann also gar nicht einwachsen. Hingegen durch das übliche Hinwegschneiden seiner Kante drückt er sich immer tiefer in das Fleisch der Zehe hinein.

Hühneraugen (Leichdornen) umwickele ich gewöhnlich mit einem Streifen des oben erwähnten dünngestrichenen Heftpflasters, nachdem ich vorher das Horn mittels des Federmessers flach abgeschnitten habe. Schützt dies noch nicht genug, so lege ich ein Stückchen Handschuhleder mit dem gewöhnlichen grünen Cerat oder dem officinellen schwarzen Leichdornpflaster auf den Leichdorn und wickele einen dünnen Heftpflasterstreifen darüber. Ich habe seit vielen Jahren alle angepriesenen geheimen Hühneraugenpflaster probirt und keines besser befunden als jene beiden, längst in allen Apotheken vorkommenden. – Uebrigens merke man sich ein für allemal: Der Urheber der Hühneraugen ist allemal der Schuhmacher, wenn er die Schuhe nicht für den Fuß, wie er ist, (und zwar für jeden von beiden besonders) gefertigt hat, sondern nach einem Ideale, wie der Fuß sein sollte. Der Himmel behüte eines Jeden Beine vor den Idealen der Schuster! Wie aber der Wirklichkeit entsprechend die Schuhe gestaltet werden müssen, das lehrt am besten der Züricher Professor der Anatomie, Dr. Herm. Meyer, in seiner Broschüre „über die richtige Gestalt der Schuhe“ (Zürich 1858, 8. und vorher in der Gartenlaube 1857, Nr. 27, S. 373.)




Die unterseeischen Kameele.

(Mit Abbildungen.)

Von Wilhelm Bauer, dem Submarine-Ingenieur, dessen unterseeischem Schicksale im Kieler Hafen wir in Nr. 41 des vorigen Jahrgangs der Gartenlaube den Artikel „Ein deutscher Erfinder“ gewidmet haben, legen wir heute unseren Lesern eine seiner wichtigsten Erfindungen selbst vor. Es ist das von ihm erdachte, ausgebildete und erprobte System zur Hebung der in Meeren, Seen und großen Strömen untergegangenen rettungswerthen Schiffe und Güter, und zwar nicht durch die Anwendung mechanischer Mittel vom Niveau des Wassers aus, sondern durch weise Benutzung der Kräfte der Natur.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_057.jpg&oldid=- (Version vom 30.4.2020)