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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


In diesem Sinne hat ein Hamburger Bürger, A. G. Todtenhaupt, bei Gelegenheit der Erörterung über die anderweite Einrichtung des akademischen Gymnasiums in Hamburg, die Gründung eines wissenschaftlichen Volkslehrer-Seminars beantragt und einen Plan vorgelegt, der in der deutschen und fremdländischen Presse sofort große Theilnahme gefunden hat, in Hamburg aber selbst vorläufig wenig Aussicht zu haben scheint, eine Majorität für sich zu gewinnen. Der Gedanke ist nicht neu. Pestalozzi, Fröbel, Professor v. Leonhardi und Andere haben ihn gepflegt und der letztere namentlich in den Verhandlungen des Philosophen-Congresses und in dessen Zeitschrift („Neue Zeit“ in Prag, bei Tempsky) neuerdings wiederholt erörtert. Aber der Ausführung stehen Hindernisse entgegen, welche die wohlgemeinten Rathschläge eines Privatmannes nicht zu beseitigen im Stande sind. Dieser Sprung aus der Aera der Stiehl’schen Regulative und des Systems Mühler zu den Organen freier Menschenerziehung wäre zu kühn. Wir wollen uns bescheiden, wenn der Fortschritt zwischen diesen Extremen ein paar Stationen macht. Es ist wahr: „die herrschende Partei sucht die heranwachsende Generation immer in ihrem Sinne und zu ihren Gunsten zu erziehen.“ Die Kirche will sich gehorsame, demüthige Gläubige, der Staat willige Steuerzahler und fromme Soldaten erziehen. Was der Mensch und die Menschheit als solche brauchen, Staat und Kirche können sich damit schwer befreunden und die „freie Menschenbildung“ jener pädagogischen Idealisten ist in der That das Postulat einer neuen Zeit, welche die Pionniere des Gedankens wohl im Aufriß schon fertig sehen, zu der uns aber noch die Brücke fehlt.

Herr Todtenhaupt, ermuntert durch die Zustimmung namhafter Gelehrter in und außerhalb Deutschlands, hat sein Project in verschiedenen Zuschriften an die Hamburger Bürgschaft warm verfochten und dieselben auch als selbständige Brochüren (Hoffmann und Campe) im Druck erscheinen lassen. Sein Organisationsplan ist tief durchdacht und bis in’s Detail ausgearbeitet. Er verleugnet seine Heimath – das reiche Hamburg – nicht. Als Jahresgehalt der drei die Direction des Instituts bildenden Professoren schlägt er je zwölftausend Mark Courant vor. „An Gehalte von solcher Höhe,“ sagt Freiherr von Leonhardi darüber, „ist man in Europa bisher zwar für Primadonnen, aber nicht für Volkslehrer gewöhnt.“

Wiewohl wir an einen Erfolg der von Herrn Todtenhaupt unternommenen Schritte unter den die pädagogische Welt zur Zeit regierenden Einflüssen nicht glauben, ist das Project doch ein bedeutendes Zeichen der Zeit. Es werden noch Jahre und Jahrzehnte darüber hingehen, ehe diese Ideen Gemeingut werden und zum entscheidenden Kampfe mit der schwarzen Rotte und dem hergebrachten Schlendrian erstarken. Aber schon treten einzelne Plänkler auf und zwar von einer Seite, aus der man sie nicht erwartete. Es ist beachtenswerth, daß dieser Vorschlag nicht von einem Staatsmanne, auch nicht von einem Gelehrten ausgeht, sondern von einem Geschäftsmanne, der seinen Aufschwung zu höherer wissenschaftlicher Einsicht lediglich seinem Privatfleiße verdankt. Es bestätigt sich hierbei die alte Erfahrung von Neuem, daß aller bedeutende Fortschritt im Erziehungswesen nicht ausgegangen ist von staatlich bevormundeten, über einen Leisten geschlagenen Schulen, sondern von sich frei bewegenden Privatanstalten.

J. H.

Frostschäden an Obstbäumen. Wohl von den meisten Obstzüchtern wird man nach dem nun vergangenen, ausnahmsweise harten Winter Klagen hören über so manches Unheil, was derselbe angerichtet hat. Dem Einen wird der vorjährige Trieb der Birnen, dem Andern Pfirsichen und Aprikosen, dem Dritten sein Wein etc. etc. erfroren sein. Und wie manchem Baumschulenbesitzer werden fast alle Triebe sämmtlicher im Vorjahre veredelten Stämmchen, die womöglich nicht einmal die gehörige Holzreife erlangten, absterben, wird somit fast die ganze Arbeit des Vorjahres nutzlos geworden sein!

Doch dagegen giebt es ein ganz einfaches Mittel. Streift man, nach dem ersten Herbstfroste, die Blätter der jungen Triebe, welche nicht selbst abfallen, behutsam von unten nach oben ab, so wird selten ein Trieb vom Froste leiden, weil durch das Abstreifen der Blätter der Trieb seine krautartige Beschaffenheit verliert, um holzig zu werden, mithin der Kälte mehr Widerstand leisten kann als vorher.

Aber auch mancher alte Stamm wird vom Froste gelitten haben und seiner Vernichtung entgegen gehen, wenn ihm nicht zeitig geholfen wird. Darauf aufmerksam zu machen ist der Zweck dieser Zeilen. Nimmt auch, nach Schluß des Wachsthums, also vor und mit dem Blattabfall, der Saftreichthum des Baumes ab, so bleibt doch noch ein gutes Theil wässeriger Bestandtheile in den Zellen und Gefäßen des Stammes zurück, das Holz bleibt grün. Gefrieren diese wässerigen Bestandtheile, so brauchen sie, weil bekanntlich Eis einen größeren Raum einnimmt als die gleiche Gewichtsmenge Wasser, weil weiter auch noch durch die Kälte die Gefäß- und Zellenwände des Stammes zusammengezogen, die Gefäße und Zellen also verengert werden, gefroren viel mehr Platz, als in wässeriger Beschaffenheit und sprengen (gerade wie Wasser, welches gefrierend ein Gefäß sprengt), wenn die Kälte streng wird, die Wände der Zellen und Gefäße, ja selbst die Rinde des Stammes, und es entsteht dadurch, wenn nicht etwas dagegen geschieht, beim Steinobste Harzfluß, beim Kernobste Brand.

Untersuche daher jeder Obstzüchter seine Stämme, und sollte er fasrige Rindensprünge entdecken, so schneide er die Wundränder glatt, entferne dabei die Rinde, soweit sie gelbbraun ist, verstreiche die Wunden, und sie werden ohne Nachtheil für den Stamm verwachsen.

Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß es jedenfalls gerathen sein dürfte, eine Pflanzung junger Stämmchen in diesem Jahre zu unterlassen, denn auch bei jungen Stämmchen dürfte eine, obschon wegen der größeren Dehnbarkeit der jungen Gefäße weniger sichtbare Zersprengung der Gefäße und Zellen vorgekommen sein, die zwar, wenn das Stämmchen an seinem Standorte verbleibt, wenig zu sagen haben würde, aber bei einer Verpflanzung seinem Fortkommen um so leichter gefährlich werden möchte, als es schon die durch die Verpflanzung bedingten Wunden zu vernarben hat.

Wipfra.

Kühn.

Die Macht der vollendeten Thatsache. Als der neue König von Spanien, Amadeo, in Madrid einzog, um den Thron der vertriebenen Bourbonen zu besteigen, war die Aufregung der Bevölkerung eine ungeheure, und Alle sprachen davon, ihn zu tödten. Ein Spanier eilte nach Hause und rief seiner Frau zu:

„Gieb mir schnell meine geladene Büchse dort von der Wand, der König wird gleich in den Palast einziehen.“

„Was willst Du mit der Büchse?“ entgegnete die Frau sehr ruhig; „bis Du hinkommst, ist der König längst im Palaste angelangt.“

„Wahrhaftig, Du hast Recht, Frau! Dann bringe mir meinen Mantel, damit ich hingehen kann, um ihm meinen Glückwunsch abzustatten.“


„Des Kaisers Erwachen“. So soll das große Volksfest heißen, zu welchem man in der Goldenen Aue Thüringens sich rüstet, und welches mit großer Pracht auf des Kyffhäusers alter Kaiser- und Sagenburg begangen werden soll. Es ist dabei ein Gedanke ausgesprochen worden, den wir gern der Öffentlichkeit anvertrauen: Es wäre sinnig und schön, meint man, wenn die Fürsten und freien Städte Deutschlands, welche die Kaiserkrone auf ein Hohenzollernhaupt gesetzt, die alte Kaiserburg mit dem Sagenthron der Hohenstaufen als Reichseigenthum dem neuen Kaiser verehrten. Nicht des Kaisers, sondern des Reichs Erwachen ist zu feiern, und wo ein neues Haupt über das Reich wacht, kann der Alte im Berg endlich mit allen seinen Mannen zur ewigen Ruhe eingehen.



Kleiner Briefkasten.

Marie B. in Hamburg, Uhlenhorst. Ihr geschmackvolles Kistchen ist richtig angekommen, und werden Sie nächstens über Ihre Gabe sowohl, wie über alle sonst noch eingegangenen Schmuck- und Werthgegenstände, Quittung in der Gartenlaube finden. Bis jetzt wurden nur die Geldsendungen quittirt.

S. H. in Weißenburg. Wir sind Ihnen für Ihren Aufschluß dankbar und berichtigen gerne, daß – entgegen unserer Mittheilung in Nr. 1 dieses Jahrgangs – der Bürgermeister Grimm in Riedselz sich noch der besten Gesundheit erfreut. Uebrigens sind auch andere Journale in derselben irrigen Weise seiner Zeit berichtet worden, wie wir. Möge an dem fälschlich todtgesagten würdigen Herrn das bekannte Sprüchwort sich bewahrheiten.

Deutsches Herz in Triester Brust. Für die Uhr hat sich längst ein Geber gefunden, aber Ihre Kette wird gewiß willkommen sein.

Einer Ostfriesin. In jener Nische des Straßburger Münsters steht die Statue Ludwig’s des Vierzehnten. Uebrigens verdient Ihre Idee, dort neben Chlodwig, Dagobert und Rudolph von Habsburg das Bild des Mannes aufzustellen, der uns Straßburg wiedergab, alle Beachtung.

Emilie D. Gr. Wir bitten um genaue Adresse behufs Rücksendung des Manuscripts.

W. L. Der Titel des Buches lautet: „Franz Xaver Bronner’s Leben, von ihm selbst beschrieben. Zürich bei Orelli, Geßner, Füßli und Comp. 1795–1797. 3 Bde. Mit Kupfern von Lips.“

J. S. Die Adresse ist einfach: An Dr. Herman Schmid in München.



Nicht zu übersehen!

Mit dieser Nummer schließt das erste Quartal unsere Zeitschrift. Wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das zweite Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.

Die Verlagshandlung.

Außer den Schlußcapiteln der Schmid’schen Erzählung „die Zuwider-Wurzen“ wird die Gartenlaube im nächsten Quartal eine größere Novelle von C. Werner, dem unsern Lesern bekannten Verfasser der Erzählung „Hermann“, unter dem Titel „Ein Held der Feder“ zum Abdruck bringen. Aus dem nun glücklich beendeten Kriege aber soll eine Reihe interessanter und unterhaltender Erinnerungen zur Veröffentlichung kommen, denen sich die vortrefflichen Illustrationen unserer Specialartisten Heine, Sell u. A. würdig anschließen werden. Daß daneben auch unsere Beiträge aus dem Gebiete der Naturwissenschaft, der Geschichte, der Biographie etc. die gewohnte Beachtung in ausgedehntem Maße wieder erfahren werden, bedarf kaum der Versicherung.

Im Monat Juni hoffen wir, nach der bestimmten Zusage der Dichterin, mit dem Druck des längst erwarteten neuesten Romans von E. Marlitt beginnen zu können.

Die Redaction.

Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_224.jpg&oldid=- (Version vom 30.4.2018)