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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


und nach vergrößert und zur gegenwärtigen Blüthe gebracht. Den ganzen Reinertrag von der Einnahme legte er successive für Verbesserungen aus. Der Werth des Grund und Bodens allein ist bereits auf eine halbe Million Dollars gestiegen, und die Gebäude und Einrichtungen etc. schätzt man auf dieselbe Summe. Da die Capitalanlage kaum den vierten Theil davon beträgt, kommen also drei Viertheile des gegenwärtigen Werthes auf die Verwaltung – gewiß ein glänzender finanzieller Erfolg! Die Einnahmen bestehen lediglich in dem geringen Eintrittsgelde und ein paar Cents Kopfgeld von den Schenkwirthen (die dafür ihre Licenz gratis erhalten) für jeden das Local Besuchenden, sowie in dem Verdienste einer der Straßenbahnlinien nach dem Garten, die Woodward gebaut hat und die ihm allein gehört. Allerdings pflegen Sonntags selten weniger als zehntausend Besucher dorthin zu kommen. Dagegen sind die Ausgaben enorm. Abgesehen von der kostspieligen Verwaltung hat Herr Woodward stets eine Menge von Agenten in aller Herren Ländern auf Reisen, welche Seltenheiten herbeischaffen müssen. Besonders Merkwürdiges und Neues wird, sobald hinreichend Geld in Casse ist, sofort angeschafft. Für San Francisco ist er durch seinen prächtigen Kunstgarten ein wahrer Wohlthäter geworden, und die fast beispiellosen Erfolge, welche sein Unternehmen gekrönt haben, verdient in dieser Stadt der wunderbaren Errungenschaften gewiß Keiner mehr als Herr Woodward. Wir Deutschen aber sind ihm zu besonderem Danke verpflichtet, denn er hat uns hier unter den Sandhügeln einen idyllischen Erholungsplatz hergezaubert, der uns an die anmuthigen Vergnügungs- und Tivoligärten der alten Heimath erinnert – und besonders deshalb möge seiner auch in diesen Blättern gedacht werden!

     San Francisco, am 1. September 1873




Das Opfer eines wilden Tages.
Vor fünfundzwanzig Jahren in Frankfurt a. M.
(Fortsetzung.)


Die Veranlassung zu dem letzten Ausritte Lichnowsky’s und Auerswald’s und der Lauf desselben wird sehr verschieden erzählt. Nach einer Angabe soll der General die Weisung erhalten haben, der von Darmstadt her erwarteten Artillerie entgegenzureiten, um dieselbe durch den einzig noch freien Weg in die Stadt zu führen. Auf diesem Ritte habe der Fürst ihn freiwillig begleitet.

Eine andere Variante erzählt, Lichnowsky sei dem General in der Gegend der Hauptwache begegnet und habe ihn zu einem Spazierritte aufgefordert, wozu indeß dieser keine Lust bezeigte. Da habe der Fürst sich auf die Hauptwache begeben und dort den österreichischen Oberst von Meyern um ein Pferd gebeten, um den an der Bockenheimer Chaussée wohnenden Reichsverweser von einer Sturmpetition zu benachrichtigen, die von der Linken der Nationalversammlung beabsichtigt sei. Er erhielt ein Pferd (einen Braunen, nicht Schimmel, wie anderweit gesagt ist) und ritt dem Eschenheimer Thore zu. Bald fand sich jetzt noch Auerswald zu ihm, denn Beide wurden bald nachher auf der Promenade vom Eschenheimer zum Friedberger Thore hin gesehen.

Die eingehendste Darstellung, nach Acten und anderweiter Nachforschung, vom ganzen Verlaufe des Ausrittes bis zum Ende geben des Rechtsmannes Georg Pflüger „Enthüllungen des gerühmten Processes, die Tödtung des Generals von Auerswald und des Fürsten Lichnowsky betreffend“, und wenn Pflüger auch, als „Vertheidiger zweier Angeklagter“, einen Parteistandpunkt einnimmt, so bezieht sich dies doch nur auf den Proceß gegen die Angeklagten und wirkt nicht störend auf seine Erzählung des Thatsächlichen ein, für die er gewissenhaft stets die Quelle angiebt.

Nach den protokollarischen Aussagen des kaiserlich königlichen Obersten von Meyern kam Lichnowsky gegen drei Uhr zu ihm auf die Hauptwache und bat ihn um ein Pferd zu dem angegebenen Zwecke; der Oberst gab es ihm, sagte ihm aber zugleich, daß er eben selbst vom Erzherzoge komme und wegen der vielen Bewaffneten, die er auf der Straße gefunden, einen Seitenweg eingeschlagen und auf diesem dem Erzherzoge eine halbe Compagnie Oesterreicher zugeschickt habe, die er noch einholen könne. Kaum war der Fürst abgeritten, so kam Auerswald und bat ebenfalls um ein Pferd, um Lichnowsky zu begleiten, und da der Oberst ihm keines geben konnte, so erklärte der General, sich mit dieser Bitte an Peucker (den Reichskriegsminister) wenden zu wollen.

Die Untersuchung ergab nicht, ob Lichnowsky beim Erzherzoge war. Sein Zweck konnte nur sein, den Reichsverweser gegen die sogenannte „Sturmpetition“ der Linken zu stimmen. Dieser Zweck wurde erreicht so wie so. Allerdings kam eine einfache Deputation, dabei auch Karl Vogt und Robert Blum, zum Erzherzoge, um ihn zu bitten, all’ seinen Einfluß aufzuwenden, um dem Blutvergießen in der Stadt Einhalt zu thun. Mit Thränen in den Augen schrieb in diesem Sinne Johann an Peucker, aber der Waffenstillstandspartei war solch ein Barricadenkampf für den Augenblick politisches Capital – und so ging in der Stadt das Schießen weiter, während von allen Seiten die Landstraßen von bewaffnetem und furchtbar erbittertem Zuzuge lebendig wurden. So war die allgemeine Lage und Stimmung, welcher zum Trotz die beiden Reiter ihren „sogenannten“ Spazierritt fortsetzten. Denn daß es mehr als ein Spazierritt war, hat später der todeswunde Fürst selbst gestanden, indem er auf die Frage, warum er die Stadt verlassen habe, äußerte: „Er habe einen Auftrag an die preußischen Truppen gehabt.“ Dazu giebt Folgendes einige Aufklärung.

Wo Lichnowsky zwischen Drei und Vier herumgeritten ist, konnte zwar nicht erforscht werden, aber nach vier Uhr sprengte er die Eschenheimer Straße daher und ritt durch das erste Thor nach der Wohnung des Kriegsministers von Peucker, dem Senkenberg’schen Museum gegenüber und an der Ecke der Bleichstraße, in deren Mitte eben preußische Soldaten gegen eine Barricade kämpften. Während er noch in so auffälliger Weise seine Freude darüber äußerte, daß es den Unwillen aller Umstehenden erregte, kam Auerswald zu Fuß von der Eschenheimer Straße her und bestieg hier ein ihm vorgeführtes Pferd. Der Widerstand jener Barricade zeigte sich stärker, als wohl Lichnowsky geglaubt hatte, und nachdem er sich davon überzeugt, ließ er das zweite Thor öffnen und ritt mit Auerswald sofort rechts auf der Chaussée nach dem Friedberger Thore hin.

Es steht also fest, daß der Fürst noch vor vier Uhr in der für ihn sicheren Stadt war; hier hat ihn auch Prinz Felix von Hohenlohe um dieselbe Zeit noch gesprochen; hier forderte er einen Herrn von Leiningen zum Mitritt auf, der ihm entgegnete: „Ob er (der Fürst) zwei Köpfe habe? Anders möge er den Kopf allein verlieren.“ Und selbst Auerswald folgte ihm nicht willig, denn diesem soll er noch zugerufen haben: „Sie, General, fürchten sich vor einer Handvoll Lumpenbuben?“

Kurz nachdem beide Reiter das Eschenheimer Thor verlassen hatten, kamen auch etwa zwei Compagnien Preußen im Sturmschritte die Eschenheimer Straße daher und verfolgten denselben Weg. Lichnowsky band auf seinem Ritte mit einem bewaffneten Turner an, den er entwaffnet wissen wollte, bis Auerswald ihn ermahnte, von solchen „Nebensachen“ abzulassen. Folglich gab es für Beide eine Hauptsache, die offenbar mit jenen preußischen Compagnien zusammenhing.

Als sie bei dem Hessendenkmale vor dem Friedberger Thore ankamen, fanden sie den freien Platz voll harrender und zum großen Theile bewaffneter Volkshaufen, und hier beging Lichnowsky die Unbesonnenheit – oder vermuthete er die preußischen Compagnien hart hinter sich? –, dieselben zum Niederlegen der Waffen aufzufordern. Mußten zwei Spazierreiter aus der Stadt, in welcher der Kampf tobte, jetzt und hier an sich eine auffällige Erscheinung sein, so sah man sie sich nach solch einer Aufforderung genauer an, und plötzlich rief’s aus der Menge: „Das ist ja der Lichnowsky!“ Und mit „Spion! Hund! Volksverräther!“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 667. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_667.JPG&oldid=- (Version vom 7.1.2019)