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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

sich bemerkbar machen, die aber hauptsächlich in der verschiedenen Ansicht über das, was noch als deutlich wahrnehmbar anzusehen ist, ihren Grund haben. Stärke färbt Jodlösungen, die nur 1/150’000 davon enthalten, sogleich violett; bei 1/550’000 Gehalt tritt nach mehreren Stunden noch eine rosa Färbung auf. Mit Lackmus – einer blauen Pflanzenfarbe – getränktes Papier zeigt durch seine augenblickliche Röthung noch 1/20’000 Schwefelsäure an, Chlorbarium 1/60’000 durch deutliche Fällung und 1/200’000 durch eine leichte Trübung nach zwanzig Minuten. Umgekehrt wird noch 1/400’000 Baryt durch Schwefelsäure markirt. Empfindlicher noch ist die Oxalsäure – Sauerkleesäure – als Reagens aus Kalk (1/800’000 nach funfzehn Minuten merkliche Trübung). Gleiche Empfindlichkeit zeigt das Chlor gegen Silber. Durch polirtes Eisen entdeckt man noch 1/156’000 Kupfer. Blei wird bei 350.000facher Verdünnung durch Schwefelwasserstoffgas noch geschwärzt. Weniger empfindlich sind die Reactionen auf Arsenik: bei 30,000facher Verdünnung durch Schwefelwasserstoffgas noch ein deutlicher Niederschlag (gelb), ebenso bei 36.000facher durch salpetersaures Silberoxyd (citronengelb) und bei 160,000facher durch schwefelsaures Kupferoxyd-Ammoniak (blaß bläulich-grün). Schwefelsaures Eisenoxydul – der bekannte grüne Vitriol – ertheilt einer Goldlösung mit 1/640’000 Gehalt noch eine merklich violette Farbe. Die äußerste Grenze repräsentirt das Eisen; bei einer 6,400,000fachen Verdünnung wird es fünf Minuten nach Zusatz von Gerbsäure durch eine merklich violette Färbung angezeigt. Mit Hülfe der Nitroprussidverbindungen – durch Einwirkung der Salpetersäure aus dem bekannten, vielfach in der Färberei gebrauchten gelben Blutlaugensalz oder blausauren Kali erhalten – vermögen wir die Gegenwart des Schwefels mit der entschiedensten Sicherheit in einem einzigen menschlichen Haar nachzuweisen. – Solchen Thatsachen gegenüber wird der Leser eine Bezeichnung – Schwarzkünstler – die dem Chemiker noch aus alter Zeit anklebt, erklärlich finden.

Die Wichtigkeit dieser Operationen für das Leben liegt auf der Hand. Sie sind es, mit deren Hülfe der Chemiker bei plötzlichen, verdächtigen Todesfällen aus den Organen der Verstorbenen die Gifte isolirt, dem Richter vor Augen legt und den Verbrecher der Strafe überliefert. Die Methode der Auffindung des Arseniks, des am häufigsten in Anwendung kommenden Giftes, ist so vereinfacht, daß es innerhalb weniger Stunden vor Augen der Richter aus den Eingeweiden dargestellt werden kann. Selbst nach vielen Jahren ist der Verbrecher nicht vor der Strafe sicher. Erst in unsern Tagen gelang es dem Medizinalrath Bley in Bernburg aus den Resten eines vor fast elf Jahren beerdigten Leichnams zehn Gran Arsenik darzustellen, – eine Menge, die ausreicht, um den stärksten Menschen zu tödten. Und in Folge dieses Resultates wurde die Urheberin der Vergiftung am 26. Mai 1853 von dem Schwurgericht in Magdeburg zum Tode verurtheilt.

Weiter haben diese Versuche, die vorerst nur zu wissenschaftlichen Zwecken angestellt worden, einen Weg aus den Laboratorien der Chemiker in das Leben wohl zu finden und sich zu verschaffen gewußt. Sie sind die Grundlage einer ausgedehnten Fabrikthätigkeit geworden. Man bedient sich ihrer bei der Darstellung sehr vieler Stoffe, die in der Natur mit anderen verbunden vorkommen und durch diese in ihren Wirkungen beeinträchtigt werden. Der Umstand, daß viele Reactionen in den schönsten Farben auftreten, hat zur fabrikmäßigen Darstellung eben dieser Farben Veranlassung gegeben. Ferner beruht ein großer Theil der Färberei auf ähnlichen Operationen. Nicht alle Farbestoffe gehen direkt eine Verbindung mit der Pflanzen- oder thierischen Faser, – der Baumwolle, dem Flachs, Hanf, der Wolle und Seide – ein. Solche, die dies nicht für sich allein thun, muß man durch Zwischenmittel, die an und für sich keine Farbe haben, wohl aber sich einerseits mit den Fasern, andererseits mit dem Farbstoff zu verbinden vermögen, auf der Faser befestigen. Oft färbt man auch auf die Art, daß man die Faser mit einer Substanz verbindet, die selbst keine Farbe besitzt oder wenigstens nicht die, welche verlangt wird und dann bringt man sie mit einer anderen zusammen, die zersetzend auf erstere einwirkt, so daß man nur durch die entstehende neue die gewünschte Farbe erzielt, die so direkt auf die Faser niedergeschlagen wird.




Etwas Naturgeschichte.

L’Esprit des Bêtes“ ist der Titel eines kürzlich erschienenen Buches, welches zu den merkwürdigsten Schriften über Naturgeschichte gehört. Es ist ein gewissenhafter und treuer Bericht über das Resultat der unausgesetzten Studien eines Mannes, welcher, nachdem er länger als dreißig Jahre in vertrautem Umgange mit den Thieren gelebt und viele frohe Stunden in ihrer Gesellschaft zugebracht hat, sich gedrungen fühlt, ihnen auf diese Weise öffentlich seine Achtung und Dankbarkeit zu bezeugen. Viele Schriftsteller haben das Thierreich beschrieben, aber keiner hat sie bis jetzt von dem speziellen Standpunkte ihrer moralischen und intellectuellen Aehnlichkeit mit dem Menschen betrachtet und in Folge dieses Mangels besitzen wir eine Menge Werke über Thierkunde, die dennoch unvollständig sind. Die Thiere, sagt Toussenel, der Verfasser dieses Buches, sind die Ebenbilder des Menschen, eben so wie der Mensch das Ebenbild Gottes ist. Nur die Dichter haben den eigentlichen Charakter der Thiere verstanden und sie dann und wann in angemessener Sprache reden lassen. Der Zweck des Autors ist daher, das Werk zu vervollständigen, welches die Poesie begonnen hat und dadurch eine ungeheuere Lücke in der Wissenschaft auszufüllen. Man wird leicht begreifen, daß Toussenel’s Werk eigentlich eine zoologische Metaphysik genannt werden könnte, das heißt er illustrirt den Menschen mit Hülfe der Thiere, eben so wie er die Thiere mit Hülfe des Menschen illustrirt. So lautet z. B. eins der Motti auf dem Titelblatte: „Das beste Element der Menschennatur ist das mit darin befindliche Stück Hund.“ – Sein Plan bei Besprechung der verschiedenen Thiere ist daher, in ihnen Aehnlichkeiten mit entsprechenden Menschenklassen zu finden und diese Gelegenheit zu benutzen, um eine Reihe satyrischer Bemerkungen zu machen, die oft ungemein treffend und witzig sind. Wir theilen nun Einiges von dem mit, was er über die verschiedenen Thiere sagt:

1. Der Maulwurf.

Virgil hat von dem Maulwurf eine sehr gute Definition gegeben, ohne es zu wissen: „Monstrum horrendum, informe, ingens, cui lumen ademptum.“ „Ein furchtbares, mißgestaltetes, colossales Ungeheuer mit schlechtem Augenlicht.“ Der Maulwurf ist in der That das ungeheuerlichste aller geschaffenen Wesen, er ist verhältnißmäßig in Bezug auf Muskelkraft das stärkste von allen vierfüßigen Thieren und von allen fleischfressenden das blutdürstigste. Er ist der Vorkämpfer aller andern und mit den Waffen des Krieges, der Arbeit und der Liebe am besten ausgerüstet. – Ich habe, sagt Toussenel, sehr viel von der Stärke des Elephanten reden hören, welcher auf seinem Rücken Thürme trägt, die mit Kriegern angefüllt sind. Ich habe geduldig lange Berichte über die Schnelligkeit der Bewegungen des Wallfisches angehört, welcher im Stande ist, in vierzehn Tagen um die ganze Erde herum zu schwimmen. Der bengalische Tiger ist mir als ein blutdürstiges Thier genannt worden, dessen Appetit nach Blut nicht so leicht zu befriedigen ist. Aber die Stärke des Elephanten und des Wallfisches ist Kinderei im Vergleich mit dem was der Maulwurf leistet. Der Schöpfer hat in die Bildung der Hand des Maulwurfes allein mehr künstlichen Mechanismus gelegt, als in die Skelette aller Land- oder Wasserriesen. Der bengalische Tiger ist eine Eidechse an Enthaltsamkeit und ein Lamm an Sanftmuth, wenn man ihn mit dem Maulwurfe vergleicht, denn der bengalische Tiger hat seine Klauen und Zähne noch nie gegen sein eigenes Fleisch und Blut gekehrt. Schicket eurem Freunde ein paar in einen Kasten gesperrte Tiger zum Geschenk; sie werden ohne Unfall oder Beschädigung an ihre Adresse gelangen. Man versetze zwei Maulwürfe in dieselbe Lage und sie werden einander zerrissen haben, ehe sie die erste Fütterungsstelle erreichen.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_075.jpg&oldid=- (Version vom 20.4.2020)