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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

in entsprechender geologischer Umgebung – aufgestellt werden sollen. Wir haben schon früher berichtet, daß der Krystall-Palast auf dem höchsten Rücken des Penge-Hügels, der den südlichen Horizont Londons begrenzt, sich erhebt und in seinem ätherischen Glanze von den meisten Dächern Londons gesehen werden kann. Vor ihm senkt sich der Hügel allmälig herab in einer dreißig Acker umfassenden Abdachung, welche in lauter Gärten, Terrassen, Flüsse, Springbrunnen, Baumgruppen u. s. w. verwandelt wird. Die erste Terrasse von 1700 Fuß Länge und 50 Fuß Breite, unmittelbar vor dem Gebäude, ist schon fertig. Um die Abdachung zu brechen, werden die Hauptterrassen durch Wälle und Ballustraden, zierliche Einschnitte und Ballustraden abgegrenzt. Drei ungeheuere granitne Treppen, den Transepten des Palastes gegenüber, führen zu ihm hinauf. Ein Spaziergang unter Bäumen und Fontainen läuft 100 Fuß breit und 3000 Fuß lang zu einem Bassin von 400 Fuß Durchmesser. Ein Park umgiebt das Ganze mit großen Bäumen, Durch- und Fernsichten, Rasenflächen und Grotten. Die Terrassen-Gärten theilen sich in verschiedene Blumen-, Rasen- und Pflanzengruppen, zwischen welchen Statuen leuchten und Fontainen bis 200 Fuß hoch aus Marmor-Bassins springen. Eine Reihe von Treppen führt aus der dritten Abdachung in das eigentliche Thal, das in Krystall-Tempeln die seltensten Pflanzen birgt, durch die vereinigten Effecte von Wasser und Marmor und Grün zu einem wahrhaften Wunder werden muß. Tempel, Grotten, ewig blühende Hügel, Cascaden, kleine Seen, murmelnde Bäche mit kleinen Booten, dann wieder in rascher Veränderung wilde, fremde Natur, aus der uns das Labyrinthodon, der Megalosaurus u.s.w. entgegenspringen, wilder Sumpf, aus denen Plesiosaurier mit ihren langen Hälsen uns zurückschrecken, Urwald, durch welche Anoplotherien neugierig auf diese merkwürdige Nachwelt stieren, oder wohl gar der Riese der Urwelt, das Iguanodon, in dessen Rumpfe unlängst 24 (nicht 21) Künstler ein frohes Mittagsmahl verzehrten, der Ichthiosaurus mit seiner natürlichen Dampfschiffschraube im Schweife, vorweltliche Schildkröten, vorweltliche Elephanten, Mammuths und wie die fabelhaften Riesengebilde der Erde, als sie noch in den Kinderjahren war, sonst noch heißen mögen, und welche der weit aufgerissene Blick des gegenwärtigen Geschlechts, aus der unter dem Krystallpalaste alle fünf Minuten haltenden Eisenbahn aussteigend, zum ersten Male sehen wird. – Das Iguanodon ist nun, nachdem das Modell vollendet ist, etwas über hundert Fuß lang. – Die Wassermassen, welche zu den verschiedenen Fontainen und Wasserfällen gebraucht werden, und alle künstlich heraufgezwungen werden müssen, würden, wie Joseph Paxton der Königin bei ihrem letzten Besuche versicherte, jede Minute 12,000 Gallonen füllen. Das ganze eiserne Adersystem, durch welche das Lebensblut dieser ungeheuern Schöpfung als Hitze, Dampf, Wasser u. s. w. getrieben wird, mißt, in eine Reihe gelegt, nicht weniger als dreiundzwanzig englische Meilen.

B. 




Populäre Chemie für das praktische Leben.

In Briefen von Johann Fausten dem Jüngeren.
Zweiter Brief.
Die vermeintlichen Vergiftungen des Bieres.

Wir halten es für eine Hauptaufgabe dieser viel gelesenen Zeitschrift nach allen Seiten hin gründliche Belehrung zu verbreiten. Deshalb fühlen wir uns veranlaßt, in Folge eines Aufsatzes in Nr. 14: „Ein Töpfchen Bier,“ einige beruhigende Worte an die Freunde dieses erquickenden Getränkes zu richten über die Verfälschungen, die, nach der allgemein verbreiteten Meinung, damit vorgenommen werden sollen. Von vornherein wollen wir dem Biertrinker die Versicherung geben, daß solche mehr in der leichtgläubigen Einbildung als in der Wirklichkeit vorhanden sind. Bloße Versicherungen aber haben heut zu Tage keine Geltung; es liegt mir daher ob, meine Behauptung zu beweisen.

Wer mit der theoretischen, wie chemischen Grundlage der Bierbrauerei hinreichend vertraut ist, wird bei ruhiger Ueberlegung sehr leicht einsehen, daß sich die theueren zur Erzeugung guter Biere erforderlichen Stoffe keineswegs so allgemein, wie es das irregeleitete Publikum annimmt, durch wohlfeilere Hülfsmittel ersetzen lassen. Wollte der Brauer einem Biere, das in Folge einer Malzentziehung nur sehr arm an Weingeist ausgefallen ist, künstlich durch andere berauschende Mittel eine falsche Stärke geben, so würde dieser Betrug nur zu seinem eigenen Nachtheil ausschlagen, denn solche Biere würden sich nicht lange halten, sondern bald sauer werden. Eben so wenig läßt sich der Hopfen durch andere Bitterstoffe ersetzen, denn einmal unterscheidet sich, wie wir weiter unten sehen werden, der Hopfen bestimmt von anderen, und dann handelt es sich um diesen hier nicht allein, sondern der Hopfen verleiht durch den Wohlgeruch seines Oels dem Biere eine eigenthümliche Annehmlichkeit, die nicht leicht durch andere Stoffe hervorgerufen werden kann. Die ganze Eigenthümlichkeit des Bieres hängt von den Bestandtheilen des Hopfens ebenso unbedingt ab, als der Geschmack und das Aroma des Weines von der Traube.

Diese einfache Betrachtung genügt, die Verfälschung des Bieres sehr unwahrscheinlich zu machen; sie werden es noch mehr, wenn wir alle Umstände gehörig in Betracht ziehen, und dazu haben wir uns einen bestimmten Fall ausersehen. Er zeigt uns deutlich auf wie unverantwortliche Weise dergleichen Beschuldigungen in die Welt geschleudert werden und wie leicht es ist, die Unmöglichkeit derselben allein durch vorurtheilsfreie Erwägung zu beweisen. Payen, ein in weiten Kreisen bekannter französischer Chemiker, hatte, auf keinen weiteren Grund hin, als daß einmal von England aus vor ungefähr zehn Jahren bei dem Fabrikanten Pelletier in Paris eine ungewöhnlich große Quantität Strychnin bestellt worden sei, in einem seiner öffentlichen Vorträge ausgesprochen, daß diese giftige Substanz in jenem Lande allgemein angewendet werde zur Verfälschung der bitteren Biere. Ein englisches Journal verbreitete 1852 diese Nachricht, die im Lande eine große Aufregung verursachte. Obgleich die Beschuldigung nur ganz allgemein gehalten und kein bestimmter Fall angegeben worden, so sahen sich die Brauer doch durch die Macht der öffentlichen Meinung genöthigt, die Unwahrheit des Verdachtes darzuthun. Eine der größten Alebrauereien – von Allsopp in Burton-on-Treet – beauftragte die Londoner Professoren Graham und Hofmann[WS 1] – in der Wissenschaft sehr verehrte Namen – mit der genauen Untersuchung ihres Fabrikates. Aber auch ohne eine solche mußte die Beschuldigung in sich selbst zusammenfallen.

Nach den angestellten Versuchen genügt ein Gran Strychnin, um einer Gallone (fast vier preußische Quart) Bier die Bitterkeit der Pale-Ale zu ertheilen, eine Quantität, die zur Hälfte hinreicht, die heftigsten Vergiftungsfälle hervor zu bringen. Diese außerordentliche Wirkung kann man ferner nicht dadurch verhindern, daß man geringere Mengen anwendet. Wird das Strychnin in den kleinsten Gaben dem Organismus wiederholt beigebracht, wie es doch beim Biertrinker geschieht, so summiren sich die Wirkungen der einzelnen Gaben und die heftigsten Vergiftungserscheinungen treten ohnfehlbar nach kurzer Zeit auf. Dann unterscheidet sich die Bitterkeit des Strychnins in auffallender Weise von der des Hopfens durch den Geschmack. Letztere tritt augenblicklich auf, ist von einem eigenthümlichen, aromatischen Beigeschmack begleitet, der der ersteren durchaus abgeht, und verliert sich ebenso schnell wie sie bemerkt worden ist. Ganz anders ist es beim Strychnin. Man bemerkt den bittern Geschmack nicht augenblicklich, aber hat sich die Wirkung einmal geltend gemacht, so dauert sie auch einige Zeit an. Ein dritter Umstand ist der, daß in der ganzen Welt nicht so viel Strychnin dargestellt wird als erforderlich sein würde für das Fabrikat der einzigen Brauerei Allsopps. Jährlich werden hier 157,690 Oxhoft Bier gebraut, zu deren Verfälschung man nicht weniger als 16,448 Unzen Strychnin gebrauchen würde, während es sehr zweifelhaft ist, ob die gesammte Fabrikation dieses Stoffes sich auf höher als 1000 Unzen beläuft. Bedenkt man noch den wahrhaft kolossalen Maßstab, in welchem die Operationen in einer so ausgedehnten Fabrikanlage ausgeführt

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Hoffmann
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_108.jpg&oldid=- (Version vom 20.4.2020)