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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Diese Geschichte erinnert uns wohl lebhaft genug an das Schicksal unsers deutschen Volkes, das gewöhnlich so lange untereinander als Oesterreicher und Preuße, als Sachse und Baier und Schwabe stritt, bis es durch eine fremde Macht so recht auf eine Wüste des Bürgerkriegs geführet ward; nach langem Kummer rief es dann endlich:

„Wir sind Alle Deutsche – laßt uns einig sein, dann sind wir stark und dürfen auch von einem Vaterlande reden!…“

Wieder stehen wir am Anfang einen solchen gefährlichen Zwiespalts – doch ist das deutsche Volk diesmal nicht im Zweifel, welches bessere Theil zu wählen sei; – wer wird es jetzt verantworten wollen, wenn Deutschland doch zerrissen, doch um fremder Interessen willen aufgeopfert würde?

Josef Rank. 

Electricität ein Weber. Der Blitz, ehemals ein Monopol des Obersten unter den Göttern, ist jetzt in den Händen moderner Wissenschaft, Kunst und Industrie, Neuigkeitsbote, erster Briefträger des Universums, erster Portraitmaler, Thronfolger der Oel- und Gaserleuchtung, Erbe des Stubenheizens mit Holz oder Kohlen, Rheumatismusableiter und gründlicher Gichtbeulen-Operateur geworden. Und was kann noch Alles aus ihm werden? Zunächst hat ihn noch Ponelli in Sardinien zum ersten Weberkünstler gemacht. Die Weberei vermittelst Elektricität, nach dem von Ponelli erfundenen Apparat, ist einfacher, sicherer und bei Weitem billiger, als mit den vollkommensten Einrichtungen der Jacquard-Webstühle. Statt der zahllosen und kostspieligen Cartons, die zur Ausführung künstlicher Muster gehören, sieht man in dem Ponelli’schen elektrischen Webstuhle kleine eiserne Stäbe, die jedesmal magnetisch werden, so oft sie mit dem Strome galvanischer Elektricität in Verbindung gebracht werden, so daß nur die Richtungen dieser Stäbe verändert zu werden brauchen, um das Muster auszuführen, während bisher bei jedem Rucke des Weberschiffes Cartons geändert werden müssen. Jetzt weist der elektrische Strom mechanisch ohne Zuthun der Menschenhand den Stäbchen ihre Richtungen an, oder vielmehr die magnetische Polarität mit ihrer Anziehung und Abstoßung und zwar genau im Verhältniß der Zähne des Kammes, durch welchen das Muster angelegt und regulirt wird. Ohne Zeichnung und Ansicht ist dies schwer deutlich zu machen. Vielleicht können wir bald damit aufwarten. Die Anziehung und Abstoßung in den magnetischen Stäbchen steht in Verbindung mit der bald isolirten, bald verbundenen elektrischen Strömung, so daß man genau sagen kann, es seien eigentlich die nach dem Muster geleiteten Spiele polarischer Elektricität und Magneticität, welche weben. Diese Erfindung übertrifft bei Weitem das Wunder des elektrischen Teleraphen von Bain, mit welchem man Hunderte von Meilen weit einen Brief vor die Augen des entfernten Freundes in demselben Augenblicke schreiben kann, als man ihn Hunderte von Meilen fern selbst schreibt. Mit dem elektrischen Webstuhle kann man jedes Muster vergrößert oder verkleinert arbeiten lassen, gleichsam mit dem „Storchschnabel“ und Alles dies, ohne während der Arbeit nur eine jener Tausende von mühsamen Aenderungen, welche bei den Jacquard-Stühlen nothwendig wird und die Kunstweberei so kostspielig macht, vornehmen zu müssen. Auch kann man gemischt, sowohl mit Cartons, als mit Elektricität arbeiten; Turin sah dieses neueste und größte Wunder für die Industrie zuerst in Thätigkeit, hernach Genua, Lyons und Paris. Der Erfinder wird mit seinem neuen größeren Instrumente sich nächstens in London und Paris zeigen und es in der Pariser Ausstellung von 1855 arbeiten lassen. Die Erfindung ist in ganz Europa und Amerika bereits patentirt und an drei Banquiers in Turin und Lyons für eine Million Thaler verkauft worden. Muster und Modelle des neuen elektrischen Webstuhls werden nach allen Hauptplätzen der Industrie versandt, damit sie als Vorbilder für industrielle Anwendungen dienen. Es ist kaum zu sagen, von welchem Einfluß diese Erfindung sein wird. Unter allen Umständen macht sie die bisher kostbarsten und schönsten Gewebe schöner und wohlfeiler, so daß durch sie eine Menge Lebensverschönerungsmittel weiter hinab in’s Volk reichen, um dort Geschmack und Anmuth zu verbreiten, wo bisher so oft das Nothwendige und die Schmucksachen in Haus und Kleidung eben so dürftig als geschmacklos aussehen. Die textilen Künste, wie man jetzt das Reich des Webens nennen muß, nehmen unstreitig die allererste Rolle im ganzen modernen Leben ein, und sind sogar oft geheim oder offen das eigentliche Pathos der Politik, sogar von Kriegen gewesen, so daß eine so unabsehbar große Erfindung in dieser Sphäre jedenfalls wichtiger ist, als zehn gewonnene und verlorene Schlachten.


Industrie aus der Sonnenrose. In England fängt man mit steigendem Profite an, die große, gelbe, großköpfige, saamenkornreiche Sonnenrose[WS 1] auf die beste Weise zu cultiviren und auszubeuten. Erst ernten die Bienen aus ihren unzähligen kleinen Saamenblüthen (jedes Saamenkorn hat eine besondere) die reichlichste Menge Honig und Wachs. Die Saamenkörner geben, wie Leinsaamen behandelt, große Massen des besten Oeles für den Tischgebrauch u. s. w., besonders auch für Maler, welche für blaue und grüne Farben kein besseres Oel finden können. Als Mast für Geflügel giebt es kein besseres Mittel, als Sonnenrosensaamen. Die Seife von Sonnenrosenöl ist ein herrliches Schönheitsmittel für die Haut, welche es weicher, zarter und weißer macht. Als Bartseife ist sie die vorzüglichste. Fasanen, von diesem Saamen gefüttert, bekommen ein reicheres, farbenvolleres Gefieder. Das Mehl aus den Saamenkörnern giebt das feinste Kuchenwerk und dem Brote eine größere Nahrhaftigkeit und Verdaulichkeit. Endlich gewinnt man aus der großen Staude die feinsten Fasern, die wegen ihrer Seidenartigkeit in China häufig unter die Seide gemischt werden. So erweist sich die bekannteste aller Blumen, die bisher nur für einen bäuerischen Zierrath galt, plötzlich als eine der reichsten und ergiebigsten im Acker- und Gartenbau für industrielle Zwecke. Sie gedeiht überall ohne Pflege in unbenutzten Winkeln. In großer Menge cultivirt man sie zwischen Kartoffeln, wo sie nach letztem Behacken zwischen die Furchen à 12 Fuß von einander gesteckt werden. In China baut man Hunderttausende von Centnern Sonnenrosensaamen und bereitet Futter, Seide und Oel daraus. Die Staude soll sich zur Verarbeitung in Papier eignen. Ein Ackerbauer Englands gewann im vorigen Jahre beiläufig allein aus seinen Sonnenrosen über 700 Thaler aus dem Saamen, aus Honig und Wachs und den mit dem Saamen gemästeten Thieren. In jeder verwelkenden Sonnenrosenscheibe steckt ein guter Neugroschen. Wer also Groschen liebt, weiß nun, wie er sie sich wachsen lassen kann.


Der Staatsmantel des Königs der Sandwichs-Inseln, den der jetzige Herrscher Kamehameha I. unlängst zum ersten Male trug, hat nicht weniger als die Zeit von acht Regierungen zu seiner Vollendung gebraucht. Er ist 4 Fuß lang und 111/2 Fuß breit. Der Mantel selbst besteht aus grobem Geflecht, in welches die seltensten Federn mit der künstlerischsten Sorgfalt hineingezogen sind. Die Federn, mit welchen der ganze Mantel bedeckt ist, sind von einem seltenen Vogel (Melithreptes pacifica), die man blos in den höhern Regionen von Hawaii selten findet und sehr schwierig fangen kann. Dabei hat jeder Vogel nur zwei solcher Federn, eine unter jedem Flügel. Fünf solcher Federn wurden mit 3 Thaler bezahlt. In dem Mantel Kamehameha’s stecken für nicht weniger als 1,800,000 Thaler solcher Federn. Sie sind von der glänzendsten Goldfarbe, so daß der Mantel wirklich wie ein goldener aussieht, nur daß das Material dazu mehrere hundert Prozent theurer ist, als Gold. Der stolzeste Monarch der alten Welt könnte sich keinen kostbarern Staatsmantel wünschen, obgleich Kamehameha dann nur ein etwas kostspieliger – Papageno ist.


Gouverneur und Schneider. Grobschmied und Richter. W. W. Pepper, ein Landrichter im Staate Tenessee, in Amerika, war früher Grobschmied. Um zu zeigen, daß er auch als letzterer etwas gelernt habe und sich seiner Vergangenheit nicht schäme, machte er mit eigener Hand dem Gouverneur seines Staates, Andrew Johnson, eine Kohlenschippe. Gouverneur Johnson, um sich dankbar zu zeigen, machte ihm dafür mit eigener Hand einen Rock und ein Paar Hosen, zum Beweise, daß er früher ein geschickter Schneider gewesen und sich dieser Vergangenheit nicht schäme. Die Correspondenz zwischen beiden hohen obrigkeitlichen Personen ist veröffentlicht in der Staatszeitung von Tenessee. Solche Staatspapiere sind gemüthlicher, als unsere zu Hause.


Musikalisches. Von Johannes Brahms, dem jungen Tonkünstler, welcher von Robert Schumann Ende vorigen Jahren so bedeutungsvoll in die musikalische Welt eingeführt wurde, sind kürzlich in Leipzig die ersten sechs Werke im Druck erschienen; Op. 1–4 bei Breitkopf und Härtel, Op. 5 und 6 bei Bartholf Senff. Es sind drei „Sonaten“ und ein „Scherzo“ für Pianoforte und zwei Hefte „Lieder“ mit Clavierbegleitung. Alle diese Werke enthalten viel des Schönen und zeigen Brahms als eine hochbegabte, vielversprechende Künstlernatur, die aber selbstverständlich noch ihren Abklärungsprozeß durchmachen muß. Brahms Töne sind eigenartig, sie reißen oft voll schöner Gewalt unwiderstehlich mit sich fort, aber sie beanspruchen, daß man sich ihnen mit ganzer Liebe hingebe. Seine Fmoll Sonate Op. 6 dürfte unzweifelhaft eines der imposantesten Musikstücke der Neuzeit sein, es offenbart sich in ihr eine wuchernde Kraft in Erfindung und Gestaltung; das Andante derselben ist ein besonders reizendes Stück, durchweg von zartester Mondscheinnatur, bietet es ein bezauberndes harmonisches Gewebe. In dem ersten Liederheft Op. 3 sind die verschiedenartigen Empfindungen mit wunderbarer Genialität aus der Tiefe der ausgewählten Dichtungen heraufgeholt und oft zauberisch schön musikalisch ausgedrückt. Aber diese Gesänge verlangen Gesangesseelen zu Sängern und gewappnete Accompagnateurfinger. Schnelleren Eingang wird sich das zweite Liederheft Op. 6 verschaffen, da es sich mehr dem anzubequemen scheint, was man von ansprechenden Liedern verlangt, doch ist dies bei Brahms in einem höheren Sinne zu verstehen. Zu einer durchweg edlen Art der Auffassung der Gedichte, zu dem innern Zuge im Ausdruck, kommen hier noch freundliche frische Melodien, nette knappe Formen und leichte Ausführbarkeit. Der Zuhörer empfindet das Gefühl, wie wenn die ersten Frühlingslüfte auf ihn einströmen. – Und so sei denn auf diese sechs erstsn Werke des Künstlers hiermit angelegentlichst aufmerksam gemacht.


Literarisches. Von Schleiden, dem bekannten Verfasser des „Lebens der Pflanze“ erscheint binnen Kurzem ein neues Buch unter dem Titel: Studien, circa 21 Bogen stark, welches folgende einzelne Artikel enthalten wird: Fremdenpolizei in der Natur – Nordpolexpeditionen – Die Natur der Töne und die Töne der Natur – Die Unsterblichkeit der Pflanzen – Swedenborg und der Aberglaube – Wallenstein und die Astrologie – Mondscheinschwärmereien eines Naturforschers. – Von Neudörfer – unsern Lesern durch den Artikel: „Die Deutschen in Australien“ bekannt, ist so eben unter dem Titel: „Australien bis zum Jahre 1854. Eine Schilderung der dortigen Zustände“ erschienen. Es enthält das Neueste und Beste, was bis jetzt über Australien in der deutschen Sprache geschrieben wurde. Wir kommen später noch einmal auf dieses interessante Werk zurück.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Sonneurose
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 520. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_520.jpg&oldid=- (Version vom 8.4.2021)