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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Monizelle. Ich verstehe Dich nicht recht!

St. Ernest. Ich wollte Dir sagen, daß ich Geld brauchte, als ich das Fest ankündigte, und daß ich keines habe.

Monizelle. Wie kommt es, daß Du, der sich immer für reich ausgegeben, nun arm bist? Ein Fest ankündigen und ihm nicht beiwohnen können!

St. Ernest. Ich werde dabei sein; dafür bürge ich Dir.

Monizelle. So wirst Du also nicht bezahlen; denn auf die Ausgabe von einigen Tausend Franken bei dem Feste müßtest Du jedenfalls rechnen. Wir Andern sind nicht wie das Gesindel, welches bisweilen vierzehn Tage arbeiten muß, um die Ausgabe von etwa vierzig Franken wieder einzubringen.

St. Ernest. Ich muß Geld haben, Monizelle!

Monizelle. (denkt nach). Ich werde Dir behilflich sein.

St. Ernest. Du kennst den Grafen von Wisemberg als einen gutherzigen Greis. Ich bin sehr gut bekannt mit ihm. – Er hat mir ein Geheimniß anvertraut. Er trägt bei sich eine Brieftasche, welche ihm am Tage seiner Vermählung geschenkt wurde. Diese Brieftasche enthält 25,000 Franken in Bankbillets. Wenn wir ihm dieselben auf eine geschickte Art entwenden könnten, hätten wir Jeder 12,000 Franken. Was sagst Du dazu?

Monizelle. Ja! Allein es wird schwierig sein, ihm das Geld zu entwenden.

St. Ernest. Was Du da faselst! Ich werde ihm schreiben, daß ich ihm etwas von Wichtigkeit zu sagen habe; ich werde trachten, daß er sich auf diese Bank setzt; und Du, mit einem Dolch bewaffnet, wirst Dich hinter diese Statue verbergen und in dem Augenblicke, da ich das Zeichen geben werde, kommst Du von rückwärts und erdolchst ihn.

Monizelle. Ja. Wenn aber das Verbrechen entdeckt wird, enden wir später auf dem Schaffot!

St. Ernest. (schreibt auf der Bank). Mein lieber Graf von Wisemberg, ich bitte Sie, sogleich in den Park zu kommen; ich habe sehr große Eile, und bitte daher, mich nicht lange warten zu lassen.

St. Ernest.

St. Ernest entfernt sich, Monizelle, allein, spricht: das erste Mal in meinem Leben werde ich ein Verbrechen begehen! Und warum? Um Geld zu erlangen. Vielleicht stürzt Gott mich in einen Abgrund. Armseliges Geschöpf, das ich bin. Ich vernichte meinen Nächsten und an mir schimmern die Diamanten. Ich sage „Pfui!“ von denjenigen, welche keine haben. – An wem ich vorübergehe, der zieht vor mir den Hut; und ich habe kein Herz! Ich begehe die unsinnigsten Streiche. Schon naht die Stunde!

St. Ernest tritt auf und sagt mit fröhlicher Miene:

In zehn Minuten werden wir die Ehre haben, ihn zu sehen – da ist er schon. Acht gegeben! (Monizelle verbirgt sich hinter der Bildsäule.)

Der Graf von Wisemberg tritt auf, sich auf einen Stock stützend und setzt sich auf die Bank.

St. Ernest. Guten Tag, mein lieber Graf; wie steht es um Ihre Gesundheit?

Wisemberg. Leidlich gut in diesem Augenblick, mein theuerer Freund. Ich habe mich nicht zu beklagen.

St. Ernest. Ich habe Sie hierher beschieden, mein lieber Graf, weil mir ein zahlbarer Wechsel vorgewiesen wurde, den ich nicht erwartet habe, dessen Summe 25,000 Franken beträgt.

Wisemberg. Ich bin bereit, es Ihnen zu leihen, allein Sie müssen mir einen Empfangschein geben.

St. Ernest giebt das Zeichen, Monizelle kommt von rückwärts auf den Greis zu, und in dem Augenblick, als er den Dolch, erhebt, versetzt ihm St. Ernest einen Streich mit dem Stocke. Monizelle wirft seinen Dolch weg und sinkt in Ohnmacht, indem er ausruft: „Verräther!“ Der Greis erhebt sich und sagt:

Du hast mir das Leben gerettet. Hier hast Du die 25,000 Franken zur Belohnung.

St. Ernest nimmt die Noten, indem er sagt: Danke, danke. Es ist nöthig, daß man das Gericht von dem Vorfall benachrichtige. Ich will ihn überwachen, gehen Sie, die Häscher zu holen.

Wisemberg geht ab. St. Ernest spricht: Er ist fort. Allein Monizelle könnte mich verrathen; ich ermorde ihn. (Er nimmt ihm den Dolch aus der Hand, den er ihm in’s Herz stößt und geht ab. Die Häscher treten auf und nehmen den Leichnam, um ihn wegzutragen. Der Vorhang fällt.)


Zweiter Akt.

(Die Bühne stellt ein Spielhaus vor. Der Graf von Saimpter sitzt in einem schönen Lehnstuhl.)

Der Graf St. Ernest tritt auf und sagt: Guten Tag, Graf. Sie rühmen sich, ein guter Spieler zu sein; spielen wir doch eine Parthie mit einander.

Der Graf von Saimpter. Mein lieber Freund, ich kann nicht mit Ihnen spielen; denn ich würde Schlag auf Schlag gewinnen.

St. Ernest. Daran kann Ihnen wenig gelegen sein; ich werde bezahlen. Spielen wir um 1000 Franken.

Sie spielen Karten. St. Ernest verliert und sagt: Hier, meine Börse; (er wirft sie zu Boden und fügt hinzu:) ich werde meine Rache haben.

(Eine Uhr schlägt acht. Die Edelleute treten auf und setzen sich an den Spieltisch. Auf beiden Seiten tanzen Tänzerinnen und gehen gleich darauf ab. Verwandlung bei offener Bühne. Die Bühne stellt einen Salon mit mehreren Lehnstühlen vor. In einem sitzt der Herr Notar. Alsbald tritt der Graf von Saimpter auf.)

Saimpter. Guten Tag, mein lieber Notar; wie befinden Sie sich?

Notar. Sehr gut, mein lieber Graf.

Saimpter. Ich komme, Dich um Rath zu fragen. Ich habe diesen Morgen mit dem Grafen von St. Ernest gespielt; er verlor und sagte, daß er sich rächen werde. Wie fange ich es an, um mich mehr an ihm zu rächen?

Der Notar denkt einen Augenblick nach und sagt: Ich weiß ein Mittel. Du weißt von der kleinen Schäferin, die so schön ist. Er liebt sie bis zum Wahnsinn. Verheirathe Dich denn mit ihr, und wenn Du verheirathet sein wirst, stelle ich Dir einen Wechsel von 100,000 Franken aus, die ich als dem Herrn Saimpter schuldig anerkenne.

Saimpter. Warum denn aber diesen Wechsel ausstellen?

Der Notar. Das sollst Du gleich sehen. St. Ernest wird noch heute zu mir kommen und gewiß nicht ermangeln, mir die Geschichte zu erzählen. Darauf werde ich ihm sagen, daß Du Dich mit der kleinen Schäferin vermählest und daß Du gleich nach der Hochzeit eine weite Reise zu machen gezwungen bist; ich werde ihm rathen, in Dein Haus zu gehen und Deiner Frau den Hof zu machen. Du aber, anstatt abzureisen, bleibst in der Nähe. Wenn Du ihn in Dein Haus treten siehst, bewaffnest Du Dich mit ein paar Pistolen und begiebst Dich leise in Dein Haus. Und wenn er bei Deinem Weibe sein wird, nimmst Du ihn beim Kragen; mit der andern Hand nimmst Du die Pistolen und zwingst ihn, den Wechsel zu unterzeichnen!

Saimpter. Ich gehe; auf Wiedersehen, theuerer Notar. Ich danke Dir sehr. (St. Ernest tritt auf.)

Der Notar. Guten Tag, Herr von St. Ernest.

St. Ernest. Sagen Sie mir doch, mein lieber Herr Notar, ich habe dem Grafen von Saimpter Rache geschworen; wie fange ich es an, mich zu rächen?

Der Notar. Er wird sich mit der kleinen Schäferin verheirathen, und nach der Hochzeit muß er auf’s Land gehen. Während dieser Zeit machen Sie seiner Frau den Hof, und das wird eine große Rache sein.

St. Ernest. Ich danke Ihnen. So werde ich mich denn rächen können. (Der Vorhang fällt.)


Dritter Akt.

(Beim Aufziehen des Vorhanges sieht man ein großes Haus. Saimpter und seine Frau im Brautkleid treten auf.)

Saimpter. Meine theuere Freundin. Nun sind wir mit einander verbunden. Allein ein Brief ist angekommen, und ich muß sogleich auf vierzehn Tage abreisen; nach dieser Zeit komme ich wieder.

Schäferin. Schon mich verlassen! O nein, das werde ich nicht zugeben. Wenn Du so lange abwesend bist, könnte Dir leicht etwas Uebles begegnen.

Saimpter. Ich sage Dir ja, daß ich unbedingt abreisen muß, daß ich dazu gezwungen bin. Ich werde Dich in unsere Wohnung führen, wo Du vierzehn Tage zubringen und meine Rückkunft erwarten wirst.

Madame Saimpter. Nun denn, ich willige ein.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_281.jpg&oldid=- (Version vom 9.5.2017)