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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Baumes, ein entfernter Verwandter, der, wenn auch nicht die Grafenkrone, doch den Namen derer von Steinau trug, ein Mann von beschränkten Mitteln aber voll Geistesstärke und von maßlosem Ehrgeize erfüllt, trat dem Haupte des Hauses mit der Energie des Hasses entgegen, und da er nicht im Stande war, offenen Kampf zu bieten, legte er insgeheim seine tiefverborgenen Schlingen.

Mitten in diesen beginnenden Kämpfen ward Graf Eberhard von einem Familienleid getroffen, das er lange nicht verschmerzte; das war der Tod seines geliebten Weibes. Nur allgemach verlor sich dieser Schmerz in der Liebe für seine Söhne, und seine einzige Hoffnung war, das ihm entrissene Glück in dem Glücke seiner Kinder wieder zu finden. Sehnsüchtig spähte er nach einer Gelegenheit, diesen Gedanken durch die That zu verwirklichen und freudig jauchzte er auf, als sich unerwartet eine solche darbot.

Der älteste von den Söhnen des Grafen war ein kräftiger, lebensmuthiger Jüngling, voll Energie wie sein Vater. Er hatte die Waffen ergriffen, zeichnete sich in allen militärischen Tugenden aus und erregte die schönsten Hoffnungen. Seine Laufbahn führte ihn als Obersten eines Reiterregiments in eine ferne Garnison und bald fühlte er sich dort von so lieblichen Banden gefesselt, daß er schrieb, er sei im Begriff, den Gipfel seines Glückes zu erklimmen, doch wage er es nicht, bevor er nicht die Einwilligung des Vaters zu einem Bündniß mit dem Mädchen seiner Liebe empfangen habe. Graf Eberhard säumte keinen Augenblick, sondern schrieb zurück: „Bringe mir eine Schwiegertochter in’s Haus, die Dich glücklich macht, und sie soll mein liebstes Kind sein. Nur die eine Bedingung stelle ich, daß ihre Familie der unsrigen ebenbürtig sei. Ich weiß wohl, welche neue Ordnung der Dinge der Zeitgeist predigt; aber dieser angeblich versöhnende Genius ist für mich der Dämon des Hasses und der Zwietracht, gegen den ich bis zum letzten Hauche meines Lebens kämpfen werde.“ Auf diese seine väterliche Botschaft erwartete er mit Sehnsucht eine Antwort, die sich, ihm unbegreiflich, von Tag zu Tag verzögerte.

Rosa von Bergheim war die Zauberin, welche den jungen Grafen von Steinau, den kühnsten Reiteroberst der Armee durch ihre Reize gefesselt hatte. Ihr Vater, ein zurückgekommener Edelmann, der gezwungen ward, sein Familiengut zu veräußern, lebte in diesem Garnisonorte, mit sich selbst zerfallen, von einer mäßigen Leibrente. Wenig fruchtete ihm die zärtliche Sorge seiner Tochter Rosa, deren junge Schönheit sich blühend entfaltete. Er ward täglich mürrischer und scheuchte die milde Trösterin mit harten Worten zurück.

Da erschien ein Mann auf dem Schauplatz, welcher eine nicht geringe Verwirrung anregte. Das war Theodor von Steinau, der entfernte Verwandte des Grafen Eberhard. Von diesem seinem Oheim zurückgewiesen, suchte Theodor sich einen andern Wirkungskreis für sein abenteuerliches Dichten und Trachten, das ihm die Ungunst des Oheims schon früher zuzog. An den herabgekommenen Herrn von Bergheim fand er einen gelehrigen Schüler, der die seltsamen Lehren, welche Jener predigte, mit Begier erfaßte. Theodor war unermüdlich und er wußte auch, warum. Noch nicht lange hatte er in dem Hause des Herrn von Bergheim Zutritt erlangt, als er den seltenen Schatz entdeckte, der darin verborgen war. Er entbrannte in heißer Liebe zu Rosa und bewarb sich eifrig um ihre Gunst. Im Tiefinnersten ihres jungfräulichen Gemüthes fühlte sie die Nähe eines bösen Geistes und zog sich scheu zurück. Theodor ward dringender und erfuhr eine kränkende Abweisung. Nicht gewohnt, vor Hindernissen zurückzubeben, verdoppelte er seine Bemühungen. Zu der Liebe gesellte sich der Trotz. Er wollte Rosa besitzen und erwählte zu seinem Bundesgenossen ihren Vater, den er bereits so sehr umstrickt hatte, daß dieser ihm nichts mehr abschlagen konnte. Herr von Bergheim nahm ihn als seinen Sohn auf und verkündete seiner Tochter, daß er sie mit Theodor von Steinau vermählen werde, sobald dieser von seinem Oheim die Herausgabe der ihm widerrechtlich vorenthaltenen Besitzungen erzwungen habe.

Um diese Zeit war es, als der Oberst, Graf von Steinau an der Spitze des Regiments erschien, das hier seine Garnison angewiesen erhielt. Jung, reich, von dem ältesten Adel, konnte es nicht fehlen, daß ihm alle Thüren bereitwillig offen standen. Den Herrn von Bergheim lernte er nicht kennen. Die Vermögensumstände dieses Edelmannes gestatteten ihm nicht, ein Haus zu machen. Ueberdies liebte er Zerstreuungen und Ergötzlichkeiten, zu welchen es keiner glänzenden Gesellschaften bedurfte. Für die Freuden des Weines und des Spiels genügte ein beschränkter Kreis von Gleichgesinnten. Dagegen legte er seiner Tochter keinen Zwang auf. Sie war in einigen Häusern eingeführt und durfte sich dort frei bewegen. Gern suchte sie jede Gelegenheit dazu auf; war sie doch dann den Verfolgungen Theodors weniger ausgesetzt, der sich in Kreisen, wo man ihn nicht sonderlich aufmerksam behandelte, unbehaglich fühlte und sich mehr unter den Leuten gefiel, die sich um Herrn von Bergheim sammelten.

Der Oberst hatte bald die zarte Blüthe entdeckt, die sich in voller Schönheit entfaltete und sein Herz war wunderbar bewegt. Auf einem Balle gab er seinem Gefühle Worte und fand Erhörung. Die erste zarte Neigung entfaltete sich bald zur reichsten Liebe. In dieser glücklichen Stimmung schrieb der Oberst den schon erwähnten Brief an seinen Vater, erhielt dessen Antwort und brachte darauf seine Bewerbung an.

Herr von Bergheim stutzte. Er wußte den Werth diesen Bündnisses wohl zu würdigen und hätte gern zur Stelle eingewilligt, aber er fühlte sich Theodor gegenüber gebunden und entließ den Obersten mit einer zweifelhaften Antwort.

Eine trübe Zeit brach für alle Betheiligten an. Rosa wurde von ihrem Vater bei jeder Gelegenheit hart angelassen, daß sie es sei, welche die Verwirrung hervorgerufen und den Frieden und die Ruhe seines Alters trübe. Auch Theodor ließ es empfinden, wie er durch Rosa’s Zurücksetzung gekränkt sei und wie er nichts unversucht lassen werde, sich zu rächen; sie sei ihm feierlich von dem Vater anverlobt, und Niemandem solle es gelingen, sie ihm zu entreißen. Zwischen dem Obersten und Theodor entstand ein harter Kampf. Beide wurden scharf beobachtet, aber Keiner wußte mit Bestimmtheit anzugeben, was eigentlich zwischen ihnen vorgefallen war. Man erschöpfte sich in Muthmaßungen. Bald hieß es, ein Duell habe stattgefunden und Theodor sei geblieben. Aber kurz darauf erschien dieser wieder auf dem Schauplatze mit großem Reichthum prunkend, welches zu dem Gerüchte Anlaß gab, Theodor habe seine Rechte dem Obersten verkauft. Aber auch dieses Gerücht hielt nicht Stich, denn Theodor strebte eifriger als je nach der Hand der jungen Dame und noch niemals hatte sich der Vater so entschieden für ihn erklärt, als um diese Zeit. Es war der verführerische Schimmer des Goldes, der den alten Sünder für jede edlere Regung des Herzens, für die Leiden seines einzigen Kindes taub und blind machte. Theodor hatte ihm in verhängnißvoller Stunde den Schlüssel zu reichen gewußt, der ihm die Pforte zu öffnen schien, die in eine nie zu erschöpfende Schatzkammer führte.

Da trat Theodor eines Abends in großer Erregtheit in das Zimmer seines Schwiegervaters, der noch mit einigen Genossen an der schwelgerischen Tafel saß. Er verkündete, daß er noch in dieser Nacht abreisen müsse und sobald nicht wiederkommen könne, darum wolle er vorher alles Zweifelhafte in Richtigkeit gebracht wissen und forderte den Vater auf, ihn ohne Aufenthalt mit Rosa zu vermählen. Ein von ihm gewonnener Geistlicher sei bereit, die Trauung zu vollziehen. Für diese Gunst versprach Theodor goldene Berge und der halbberauschte Alte willigte ein. Die anwesenden Gäste wurden als Zeugen eingeladen und ein nahegelegenes Zimmer zu der feierlichen Handlung eingerichtet. Der Geistliche erschien und fragte nach der Braut. Der Vater ging, um sie zu holen; aber Rosa war nirgend zu finden. Ein Diener, dem sie mehrfache Wohlthaten erzeigt, bewahrte ein dankbares Herz und entdeckte ihr Alles. Sie verließ, von dem treuen Diener geleitet, unbemerkt das Haus. Eine Freundin nahm sie mit offnen Armen auf. Von dort aus wurde der Oberst von dem Vorgefallenen benachrichtigt.

Theodor wüthete. So nahe am Ziel, hatte er dasselbe auf lange, wenn nicht für immer, aus den Augen verloren. Unter gräßlichen Flüchen schied er von dem alten Bergheim, den er mit dem Obersten im Einverständniß glaubte und schwur Allen glühende Rache. Von dieser Stunde an war er ein unversöhnlicher Feind. In aller Stille reisete er ab. Es war die höchste Zeit. Kaum hatte er die Stadtthore hinter sich, als ein höherer Beamter erschien, um ihn zu verhaften. Es verbreitete sich das Gerücht, Theodor von Steinau habe sich einem hochverräterischen Komplotte angeschlossen und stehe in dem Solde auswärtiger geheimer Klubbs.

(Fortsetzung folgt.)
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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 428. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_428.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)