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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Körpern unter günstigen Umständen den Charakter einer solchen annimmt, indem sie wie die eigentlichen Säuren vermögend ist, die Eigenthümlichkeiten der basischen Körper durch die Verbindung damit, wenn auch nicht gänzlich aufzuheben, doch sehr wesentlich zu modificiren. Diese Substanz ist die Kieselerde oder Kieselsäure, aus welcher die Kieselsteine, der Feuerstein und der Sand hauptsächlich bestehen; sehr rein findet sie sich im Quarz und vollkommen rein im Bergkrystall. Wir finden aber auch die Kieselerde als die kieselschalige Absonderung von Infusorien mitunter in bedeutenden Ablagerungen, wie z. B. in Berlin der Grund und Boden eines Theiles der Friedrich-Wilhelmsstadt, der Kochstraße u. s. w. aus solcher Infusorienerde besteht und ganz vor Kurzem bei Hannover eine meilenweite Ausdehnung derselben gefunden worden ist.

Das Wasserglas hat in der Zusammensetzung eine große Aehnlichkeit mit der Seife. Auch in dieser ist das Kali oder Natron als basischer Körper, dagegen das während der Verseifung in seiner Zusammensetzung wesentlich modificirte Fett oder Oel als sauere Substanz enthalten. Dieses veränderte Fett oder Oel zeigt für sich auch keine bestimmte Eigenschaften einer Säure und ist wie die Kieselerde im Wasser unlöslich; tritt es aber mit Kali oder Natron zusammen, so werden dadurch auf gleiche Weise wie im Wasserglas die Eigenschaften dieser Basen wesentlich modificirt und das veränderte Oel oder Fett wie die Kieselerde in Wasser löslich gemacht. Aber nicht allein in der Zusammensetzung, sondern auch in den Eigenschaften findet sich eine große Aehnlichkeit zwischen der Seife und dem Wasserglas, denn wie in ersterer das Kali oder Natron die Eigenschaft, wenn auch in etwas gemäßigtem Grade, behält, auf fettige Stoffe noch lösend oder auflockernd zu wirken, so daß diese dann aus damit verunreinigten Stoffen durch den Vorgang des Wassers beseitigt werden können, so hat auch das im Wasserglas gebundene Kali oder Natron dieselbe Eigenschaft. Das Wasserglas wirkt, wie die Seife, reinigend auf pflanzliche und thierische Fasern und daraus verfertigte Zeuge und die zu energischen Wirkungen des reinen Kali’s oder Natrons werden, wie in der Seife, durch das Binden an das veränderte Fett oder Oel, in dem Wasserglas durch die Vereinigung mit Kieselerde gemildert.

Die Darstellung des Wasserglases kann auf zweierlei Weise unternommen werden, nämlich entweder daß die Kieselerde mit ätzender Kalilauge oder Natronlauge, d. h. mit der durch Kalk ätzend gemachten Lösung von Pottasche oder Soda (kohlensaurem Kali oder Natron), längere Zeit hindurch gekocht wird, oder daß man trockene Pottasche oder Soda einfach mit Kieselerde zusammenschmilzt.

Zur Ausführung der ersteren Methode ist es nothwendig, daß die Kieselerde höchst fein zertheilt ist und daß das Kochen derselben mit der ätzenden Kali- oder Natronlauge unter einem erhöhten Druck, der bis auf 7 oder 8 Atmosphären zu steigern ist, geschieht. Ist die Kieselerde und die Lauge rein, so wird bei diesem Verfahren sogleich eine reine Lösung von Wasserglas gewonnen. Wird hingegen eine unreine Kieselerde, wie z. B. die oben erwähnte Infusorienerde, zur Lösung in der Lauge verwendet, so muß die dieser anhängende Thonerde und der phosphorsaure Kalk aus der noch heißen Lösung durch einen Zusatz von Kalkwasser entfernt werden.

Die zweite Methode zur Darstellung des Wasserglases ist die gewöhnlichere. Das Zusammenschmelzen der Pottasche oder Soda oder beider zugleich mit der feingepulverten Kieselerde geschieht bei starker Rothglühhitze in einem Tiegel von Thonmasse oder Gußeisen. Dieser muß aber so geräumig sein, daß er dem Raum nach wenigstens das Doppelte des Gemisches von Pottasche oder Soda und Kieselerde faßt, indem durch die Einwirkung der Kieselerde auf die Pottasche oder Soda die in dieser gebundene Kohlensäure in Freiheit gesetzt wird und diese wegen ihrer luftförmigen Beschaffenheit in der zähe schmelzenden Masse ein Aufschäumen verursacht, wodurch diese selbst, wenn der Tiegel nicht hinreichend geräumig wäre, aus ihm zum Theil herausfließen würde.

Man hat bei der Bereitung des Wasserglases durch Zusammenschmelzen von Pottasche oder Soda und Kieselerde ganz besonders darauf zu achten, daß die Materialien frei von Kalk und anderen basischen Körpern sind. Das Wasserglas ist nämlich nur dann im Wasser löslich, wenn es nur aus kieselsaurem Kali oder Natron besteht. Ist die Bedingung zur Bildung eines anderen kieselsauren Salzes vorhanden, z. B. die Pottasche oder Soda mit Kalk oder Magnesia verunreinigt oder die zu verarbeitende Kieselerde mit einem Metalloxyd verbunden, so bildet sich neben kieselsaurem Kali oder Natron zugleich eine Verbindung von Kieselerde mit Kalk, Magnesia oder einem Metalloxyd, die sogleich mit dem kieselsauren Kali oder Natron zu einem Doppel- oder [WS 1] zusammentritt und dieses in eine der gewöhnlichen Glasmassen verwandelt und damit in Wasser vollständig unlöslich macht.

Sowohl die Pottasche, wie die Soda, jede derselben für sich mit der Kieselerde einer hohen Temperatur ausgesetzt, geben nur schwierig schmelzbare Glasmassen. Nach meines Vaters Beobachtung wird die Glasmasse so leicht schmelzbar, daß man sie im Kleinen über der Flamme einer Berzelius’schen Weingeistlampe darstellen kann, wenn man Pottasche und Soda zu gleichen chemischen Aequivalenten mit der Kieselerde erhitzt. Das so erhaltene Döbereiner’sche Krystallglas zeichnet sich vor dem Fuchs’schen Wasserglas dadurch aus, daß seine Lösung bei gleichem Gehalt an fester Substanz weit dünnflüssiger und nicht so leicht gerinnbar ist, daher also leichter in die Poren des Holzes und anderer Körper eindringt.

Das durch Schmelzen gewonnene Wasser- oder Krystallglas muß behufs seiner Verwendung in den meisten Fällen wieder flüssig gemacht, d. h. in Wasser gelöst werden. Dieses geschieht dadurch, daß man es nach dem Erkalten auf mechanischem Wege in ein höchst feines Pulver verwandelt und dieses in kleinen Portionen zu siedendem Wasser giebt; das Kochen muß, wenn man eine stark gesättigte Lösung des Wasserglases erzielen will, bei einem Ueberschuß von Wasserglaspulver einige Stunden hindurch fortgesetzt werden.

Ob diejenige Wasserglaslösung, welche durch Kochen von Kali- oder Natronlauge mit fein gepulverter Kieselerde geschieht, in einigen ihrer Eigenschaften sich anders verhalte, als die durch Lösen des geschmolzenen und gepulverten Wasserglases in kochendem Wasser hervorgebrachte, und ob dadurch die Art der Anwendung zu modificiren ist, hat man bis jetzt noch nicht beachtet. Aus wissenschaftlichen Gründen läßt sich wohl annehmen, daß beide Flüssigkeiten einige Abweichungen zeigen können, wodurch vielleicht die Anwendung derselben in ähnlicher Weise modificirt werden muß, wie die des Kali- und des Natronwasserglases, von denen man bereits verschiedene Fälle kennt, wo das eine erfolglos oder zweckwidrig ist, während das andere ausgezeichnete Dienste leistet. Die Erforschung dieser Abweichungen beider Flüssigkeiten soll der Gegenstand meiner nächsten experimentalen Thätigkeit sein.






Dringende Bitte und Erklärung.

Da ich weder ein unwissender Quacksalber, noch ein geldmachender Charlatan bin und also niemals einem Kranken eher einen ärztlichen Rath ertheile, als bis ich denselben genau untersucht habe, so erkläre ich hiermit abermals auf das Bestimmteste, daß ich brieflich Niemand und um keinen Preis ärztlich behandele. Ich bitte deshalb, mich doch endlich einmal mit Briefen, zumal mit solchen, die schon ein Honorar an Geld enthalten, verschonen zu wollen.

Leipzig.

Prof. Dr. Bock.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Tripelsatz
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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 200. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_200.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)