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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

aufhielten, sehr stark wären und fürchterlich schwirrten. Die Leute, welche mit dem Einsammeln genannter Pflanze beschäftigt wären, bedeckten zum Schutz gegen diese Thiere ihren ganzen Leib und das Gesicht bis auf die Augen mit Leder.

Nach dem in China gereisten Osbeck fliegen sie allabendlich von Sumatra nach Java über die Sundastraße und kehren des Morgens wieder dahin zurück. Bontius (in seiner Geschichte von Ostindien vom Jahre 1658) behauptet sogar, daß sie in Java in die Zimmer flögen und schlafenden Menschen das Blut aus den Füßen sögen, indeß mehr Schrecken als Schaden verursachten. In der allgemeinen Historie der Reisen wird erzählt: „Auf den Manillen sieht man unzählig viel große Fledermäuse dicht an einander an den Bäumen hängen. Sie fliegen bei Eintritt der Nacht in weit entlegene Wälder und bisweilen in solcher Menge, daß sie die Luft mit ihren sechs Palmen[1] langen Flügeln verdunkeln. Sie wissen sehr wohl im dichtesten Walde die Bäume mit reifen Früchten zu unterscheiden und fressen die ganze Nacht mit einem solchen Geräusch, daß man es sehr weit hört. Die Indianer, welche ihre besten Früchte von diesen Thieren geraubt sehen, verfolgen sie theils aus Aerger, theils um ihr Fleisch zu verzehren, das sie für so gut halten, als das vom Kaninchen.“

In einer Stelle aus A. Philipp’s Tagebuche in Hunter’s Reise nach Neu-Südwales wird großer Fledermäuse, die in ungeheueren Mengen in Neuholland leben, gedacht und von ihnen Folgendes mitgetheilt: „Sie hängen zu Tausenden an den Zweigen der Bäume; es gibt ihrer darunter, welche von einer Flügelspitze zur andern gegen vier Schuh messen. Sie werden in wenig Tagen so zahm, daß sie gekochten Reis und anderes Futter aus der Hand nehmen. Ein Weibchen hing den ganzen Tag an einem Beine und fraß in dieser Stellung alles aus der Hand, was man ihm anbot. Man schätzte die Zahl derer, welche man im Umfange einer englischen Meile gesehen hatte, auf mehr als 20,000. Als die Eingebornen das Gras anzündeten, fielen eine Menge wegen der heißen Luft von den Bäumen herunter und so viele in einen Bach, daß er mehrere Tage davon gefärbt war. Obschon sie sehr stark riechen, so werden sie doch wegen ihres fetten Fleisches für eine vortreffliche Speise gehalten.“

Die Gattung Pteropus zählt ungefähr dreißig bis jetzt bekannte Arten, die in ihrer Lebensweise mehr oder weniger mit einander übereinstimmen. Eine der gemeinsten lebt auf Isle de France und Bourbon und heißt dort die große Roussette. Herr de la Nux, welcher sich vor funfzig Jahren auf dieser letzten Insel aufgehalten hat, berichtet ausführlich über die Lebensweise dieser Thiere, welche anderen Nachrichten zufolge mit der der bekanntesten übrigen Flederhund-Arten übereinstimmt. Seine Notizen bestätigen zum Theil die obigen Mittheilungen und geben noch eine andere Erklärung der vielfach verbreiteten irrigen Ansicht von der Blutgier dieser an sich harmlosen Thiere; sie mögen als der wahre Thatbestand über das Leben der Flederhunde im Allgemeinen schließlich hier noch ihren Platz finden.

Das Geschrei der Roussetten hat nichts Unangenehmes oder gar Erschreckliches; es ist vielmehr nur ein starkes Zischen, womit sie sich gewissermaßen unterhalten, wenn sie ruhig auf einem großen Baume sitzen. Sie lassen es sich eben so wenig einfallen, einen Menschen anzugreifen, wohl aber beißen und kratzen sie mit dem Daumen, wenn sie in einem Netze stecken oder geschlagen werden. Bei einem Schuß fallen aus Schrecken oft mehrere nieder und weil sie weder auf der Erde gehen, noch unmittelbar von ihr auffliegen können, kriechen sie an allem, was sie antreffen, selbst an Menschen, in die Höhe, wodurch dieselben manchmal im Gesicht verwundet und in Schrecken gesetzt werden. Daher kommt wohl die Sage, daß es sehr grimmige Thiere seien, welche selbst den Menschen anfielen. Eigentlich leben sie nicht gesellig und es ist nur das Bedürfniß der Nahrung, welches oft eine große Gesellschaft auf den Bäumen sammelt. Sie kommen daselbst einzeln an, halten sich mit den Hinterfüßen fest, wie unsere Fledermäuse, auch wohl nur mit dem einen, und umgeben sich in der Ruhe mit ihrer Flughaut wie mit einem Mantel. In dieser Stellung bleiben sie auch beim Fressen, wenn sie ihre Nahrung durch Erheben ihres Kopfes und Vorderleibes erreichen können. Aufgescheucht durch ein ungewöhnliches Geräusch, wie einen Schuß, das Rollen des Donners, das Vorbeifliegen eines Raubvogels u. s. w., machen sie sich alle auf einmal davon. Sie fressen vorzüglich Pisange, Pfirsichen, Misteln und saftige Beeren in den Wäldern, lieben auch den Honigsaft der Blumen. Den Obstplantagen daher zum Theil sehr nachtheilig, werden sie von den Europäern weggeschossen, von den Negern als beliebtes Wildpret in Netzen gefangen. In der Gefangenschaft werden sie leicht zahm und fressen auch Brod. Die kleine Roussette oder Rougette, welche ebenfalls auf Bourbon lebt, läßt sich bei Tage nicht sehen, sondern sucht in hohlen Bäumen einen Schlupfwinkel. Der größte aller Flederhunde (Pteropus edulis), dessen Fleisch besonders schmackhaft sein soll und der auf den Inseln des indischen Archipels, besonders auf Java sehr zahlreich lebt, erreicht in seinen größten Exemplaren eine Körperlänge von 15 Zoll und eine Flugweite von 5 Fuß. Ihm sehr ähnlich ist die oben abgebildete, vor Kurzem lebendig bei uns gezeigte Art, Pteropus Edwardsi, welche eine Körperlänge von nur 9–11 Zoll und eine Flugweite von etwas über 3 Fuß erreicht. Kopf, Kehle und Schultergegend sind schwärzlich kastanienbraun gefärbt, der Rücken braunschwarz, der Oberhals lebhaft gelblichroth, alle unteren Theile braunroth, die Flughäute braun und unterhalb längs der Arme in einem schmalen Streifen behaart, wie die Schenkelhaut auf ihrer Oberseite. Die alten Männchen haben einen Strahlenbüschel fettiger Haare an den Halsseiten. Die Zunge ist lang und sehr dehnbar, der weiche Gaumen hat 14 Querfalten. Die Wirbelsäule hat 13 rippentragende und 5 rippenlose Wirbel, die Kreuz- und Schwanzwirbel in ein Stück verwachsen, der Schwanz selbst äußerlich nicht sichtbar. Der Pteropus Edwardsi ist durch Ostindien, über Ceylon und Madagaskar verbreitet und zu weichlich, um längere Zeit bei uns leben zu können, daher das noch lebende Männchen aller Wahrscheinlichkeit nach bald seiner Ehehälfte nachfolgen wird.




Blätter und Blüthen.

Der Schmuggelhandel an den Grenzen Preußens und Rußlands. Der unglückselige Schmuggelhandel, schreibt man uns aus Litthauen, eine Folge der russischen Grenzsperre, bildet in den Annalen der Grenzbewohner eine Epoche, deren Ende wir nur herbeisehnen können, wobei wir den lebhaftesten Wunsch aussprechen, daß wir nicht in den Fall gerathen möchten, in Jahr und Tag abermals ein Dementi den officiellen Nachrichten gegenüber zu bringen, die da verkünden, Rußland wehre nicht mehr mit eiserner Strenge den freien Verkehr und gegenseitigen Austausch mit dem Nachbarlande Preußen. Leider blüht nach wie vor auf beiden Seiten der Schmuggelhandel mehr, denn je, und das nahe an der preußischen Grenze gelegene Samogitien beschränkt seinen ganzen Gewinn fast allein auf den Schmuggelhandel und ihm ähnlich betreiben es die Grenzbewohner Preußens, die, anstatt ihre Arbeitskräfte auf die Cultur in der Landwirthschaft zu verwenden und sich deren Verbesserungen anzueignen, lieber dem Paschwesen fröhnen, die Existenz ihrer Familien und ihr eigenes Leben auf’s Spiel setzen und immer mehr und mehr in moralische Verderbtheit sinken.

Denn ihr Leben schlagen sie in die Schanze, diese kühnen und verschlagenen Schleichhändler, wenn es, wie es sehr oft geschieht, zum blutigen Kampfe mit den Soldaten des Cordons kommt, den Rußland nicht verfehlt hat, als eine Mauer an seinen Marken aufzustellen und so mit dem Bajonnet in der Hand jede Verbindung wehrt. Wer hätte nicht gehört von diesen hartnäckigen Attaquen und deren für die Schmuggler meist ungünstigem Ausgange, die uns zeitweise die Zeitungen schildern und in welchen Berichten der allbekannte „russische eine Todte“ gewiß stets eine Rolle spielt. In diesen Gefechten büßen so manche Schleichhändler ihr Leben ein und glücklich können sie die Umstände preisen, wenn sie mit ihm allein davon kommen, denn der Waarentransport, den sie bei sich führen, ist wohl unwiderruflich verloren, sobald sie ihr Heil in der Flucht suchen. Gar leicht mag es der kolossalen russischen Uebermacht wohl werden, hier mit einer Hand voll preußischer Schmuggler fertig zu werden, die jedoch ihren Feinden ihr Leben stets theuer genug verkaufen.

Es bleibt daher den schlauen Freibeutern, wenn sie nicht eben den Kürzeren ziehen wollen, sowohl in der Anordnung ihres Unternehmens als während des Gefechtes selbst, nichts übrig, als zu irgend einer wohlersonnenen List ihre Zuflucht zu nehmen, und zuweilen hilft ihnen wohl auch die Bestechlichkeit der russischen Grenzposten, daß sie ihre Waaren ohne alle Anfechtung in Sicherheit bringen können. Diese, auf ihren kläglichen Sold angewiesen, lassen sich, wenn sie auf ihren einsamen und der militairischen Controlle schwer zugänglichen Posten Wache stehen, durch die Ueberredungsgabe eines schlauen Hebräers, der dem Schmuggelzuge meistens zur Seite steht, wohl manchmal erweichen, zumal wenn er seiner

  1. Ein Längenmaß von etwa einer Spanne.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 706. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_706.jpg&oldid=- (Version vom 20.12.2022)